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Epidemie fast beendet Die Lehren aus Ebola für die Corona-Krise

Im Kampf gegen Ebola halfen neue Medikamente und Impfungen – aber auch ein neuer Ansatz bei der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.

Weisse Landcruiser fahren vor, Gestalten in Schutzanzügen steigen aus, begleitet von bewaffneten Männern. Sie nehmen eine Patientin mit. Diese wird nie wieder zurückkehren. So sah der Kampf gegen Ebola anfangs aus.

«Es erinnert mich an den Film «ET», sagt Trish Newport von Ärzte ohne Grenzen – sie war mit dabei. «Eine Menge Geld war vorhanden. Viele Organisationen liessen sich im relativ gefährlichen Umfeld von Sicherheitsfirmen beschützen.»

Die Menschen im Osten von Kongo-Kinshasa wähnten sich im falschen Film. Niemand fragte nach ihren Bedürfnissen. Es wurde einfach gehandelt, der Kampf gegen Ebola sollte möglichst rasch gewonnen werden.

Organisationen ändern Vorgehensweise

Doch er wurde zu einem Kampf zwischen Bevölkerung und Helfern. Immer wieder kam es zu Angriffen auf Gesundheitszentren. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen zog sich zurück. Und Chef-Koordinatorin Newport geriet ins Grübeln.

«Ich fragte eine lokale Angestellte, wieso die Leute uns nicht mögen», sagt Newport. «Und sie erklärte mir: Mein Mann starb bei einem Massaker, meine Kinder an Malaria. Doch niemand half uns. Und jetzt, bei Ebola, kommt ihr plötzlich, weil es ein globales Gesundheitsrisiko darstellt. Ich möchte lieber sauberes Trinkwasser und Sicherheit für meine Familie und Gemeinde.»

Wie viele Organisationen im letzten Jahr änderte auch Ärzte ohne Grenzen die Herangehensweise. Man hörte zu: Die Dorfbewohner wünschten sich einen Brunnen, dann Medikamente für ihr Gesundheitszentrum, gegen Masern, Malaria, Cholera – all diese Krankheiten fordern im Kongo viel mehr Tote als Ebola.

«Ohne Vertrauen funktioniert es nicht»

Nach einiger Zeit kam vom Dorf der Wunsch nach einem Zentrum, um die Ebola-Erkrankten zu isolieren. «Wir sagten: gut! Was braucht es dafür? Wo wollt ihr das Zentrum, aus welchem Material, in welchen Farben? Dann bauten wir es zusammen auf.» Nun begaben sich mehr Leute in Isolation, liessen sich behandeln. Kranke meldeten, mit wem sie in Kontakt gewesen waren. Sie vertrauten den Helfern.

Ohne Vertrauen funktioniere es nicht, ist Trish Newports Fazit. Darum gelang es eineinhalb Jahre nicht, die Epidemie unter Kontrolle zu bekommen. Über 2200 Menschen starben, obwohl erstmals eine Impfung und Medikamente vorhanden waren. Das Vertrauen half, sodass der Ebola-Ausbruch unterdessen fast beendet ist. Am Freitag ist der erste neue Ebola-Fall seit sieben Wochen aufgetaucht.

Unterdessen ist ein neues Virus da, das Coronavirus. Es wird wohl noch mehr Todesopfer fordern als Ebola, weil Covid-19 das schwache Gesundheitssystem im Kongo, wie in anderen afrikanischen Ländern, überlasten kann. «Meine grösste Angst ist, dass die Leute nicht am Coronavirus, sondern an anderen Krankheiten sterben, weil sie keine Gesundheitsversorgung erhalten», so Newport.

Unterschiedliche Krankheiten

Covid-19 und Ebola haben wenig gemeinsam. Das Coronavirus verbreitet sich viel schneller. Beim Ebolavirus erfolgt eine Ansteckung nur durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Dafür ist die Mortalität bei Ebola um ein X-faches höher.

Es seien sehr unterschiedliche Krankheiten, sagt Trish Newport. «Trotzdem müssen wir weiter mit den Gemeinschaften zusammenspannen. Das Coronavirus ist eine viel grössere Herausforderung. Umso mehr müssen wir uns vertrauen.» Denn eines gilt für alle ansteckenden Krankheiten: Man kann sie nur gemeinsam besiegen. Aber man kann.

Echo der Zeit, 18 Uhr, 11.04.2020

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