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Erneuter Raketentest Kim Jong-un testet seine Militärtechnologie – und seine Feinde

Nordkorea ist eigentlich ein kleines, isoliertes Land. Dennoch gelingt es Machthaber Kim Jong-un immer wieder, die Weltgemeinschaft in Aufregung zu versetzen. So auch in der Nacht auf Dienstag: Nordkorea schoss eine Mittelstreckenrakete über Japan. Der Raketentest löste im Norden des Landes einen Alarm aus. Später die Entwarnung: Die Rakete sei hinter Japan im Meer gelandet. Für Martin Aldrovandi, langjähriger SRF-Korrespondent in Nordostasien, ist klar: Die Provokation dient auch politischen Zielen. Denn Nordkorea möchte seine Verhandlungsposition stärken.

Martin Aldrovandi

Südostasien-Korrespondent

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Martin Aldrovandi berichtet seit Frühjahr 2023 als Korrespondent für Radio SRF aus Südostasien. Zuvor war er von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Davor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

SRF News: Was bezweckt das nordkoreanische Regime mit diesem Raketentest?

Martin Aldrovandi: Wenn man der offiziellen Erklärung glaubt, geht es bei solchen Tests um die Verteidigung. Der Abschuss der Mittelstreckenrakete wäre dann eine Reaktion auf das gemeinsame Militärmanöver der USA mit Japan und Südkorea. Für das nordkoreanische Regime ist das auch eine gute Gelegenheit, seine Militärtechnologie zu testen und somit auch weiterzuentwickeln. Es geht also auch um die militärischen Fähigkeiten und deren Verbesserung.

Und schliesslich sendet Nordkorea mit einem solchen Raketentest auch eine Botschaft aus – allen voran an die US-Regierung. Pjöngjang will zeigen, wozu es fähig ist. Nicht zuletzt, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, wenn es um Sanktionen beziehungsweise um deren Lockerung geht. Nordkorea wäre es am liebsten, wenn die Sanktionen ganz fallen würden.

Wie sind die internationalen Reaktionen ausgefallen?

Der japanische Regierungschef Fumio Kishida hat den Raketentest als unverantwortlich bezeichnet. Die Regierungspartei forderte Waffensysteme, mit denen man nordkoreanische Raketen abfangen kann. Auch die südkoreanische Regierung hat den Raketentest scharf kritisiert.

Es wird spekuliert, dass ein Atomtest nach oder auch schon vor dem chinesischen Parteikongress stattfinden könnte – und das wäre dann schon ziemlich bald.

Zudem hat das südkoreanische Militär laut der Nachrichtenagentur Yonhap Präzisionsbomben im Gelben Meer abgeworfen. Dies als Reaktion auf den Raketentest der Nordkoreaner. Auch die US-Regierung hat reagiert. Sie verurteilte den Test ebenfalls scharf.

Es war offenbar schon der fünfte Raketentest, den Nordkorea in den letzten zehn Tagen durchgeführt hat. Kommt da noch mehr?

Das ist gut möglich. Vor fünf Jahren folgte auf einen ähnlichen Raketentest ein Atomtest. Der südkoreanische Nachrichtendienst sagte bereits, dass Nordkorea einen Atomtest vorbereitet hat. Mitte Oktober beginnt in China der grosse zwanzigste Parteikongress. Ein politisch sehr wichtiges, aber gleichzeitig auch ein sehr heikles Datum. Es wird erwartet, dass sich Chinas Präsident Xi Jinping zu einer dritten Amtszeit ernennen lassen wird. Wenn ihn Kim Jong-un gerade dann stören würde, käme das bei Xi sicher nicht gut an. Deswegen wird auch spekuliert, dass ein Atomtest nach oder auch schon vor dem Parteikongress stattfinden könnte – und das wäre dann schon ziemlich bald.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 04.10.2022, 18 Uhr ; 

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