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Erste Impeachment-Anhörungen Die Suche nach dem grossen Aufreger

Die Demokraten können mit dem Auftritt ihrer Kronzeugen zufrieden sein.

Ein Mitarbeiter der US-Botschaft in Kiew bestätigte gestern, dass Präsident Trump sich im Juli persönlich nach dem Stand der Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen erkundigt habe.

Und die Ex-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, beschrieb eindrücklich, wie sie zuvor beim Präsidenten in Ungnade gefallen war. Wie eine Schmutzkampagne in der Ukraine den Weg ins Weisse Haus fand. Wie sie plötzlich im Mai ohne Vorwarnung aus Kiew abgezogen wurde, weil «der Präsident das Vertrauen in sie verloren hatte». Und im Memo des Trump-Selenski-Anrufs lesen musste, wie sich die beiden Staatschefs abschätzig über sie ausliessen.

Die Republikaner im Geheimdienstausschuss versuchten nicht einmal, das blitzblanke Résumé der Ex-Botschafterin anzugreifen. 33 Jahre lang hatte die krisenerprobte Diplomatin die USA im Ausland vertreten – unter anderem in Somalia, in Usbekistan, Russland und der Ukraine.

Zu wenig «publicity»

Präsident Trump beschmutzte derweil während der Anhörung auf Twitter den guten Ruf der Botschafterin erneut, was den Demokraten in die Hände spielte. Sie sprachen denn auch sogleich von Zeugeneinschüchterung.

Doch so belastend die Aussagen der Zeugen auch sein mögen, in dieser öffentlichen Phase des Verfahrens geht es darum, die Gunst der US-Öffentlichkeit zu gewinnen. Und dort liegt das Problem der Demokraten.

Denn die Republikaner haben einen grossen Vorteil. Die Dramaturgie dieser Ermittlungen spielt für sie. Der grosse Skandal, die Bombe sozusagen, war bereits am Anfang geplatzt, in Form des Whistleblower-Berichts, der Mitte September öffentlich gemacht wurde. In den Anhörungen geht es nun um das Klein-Klein, um die Details der Ukraine-Affäre, um Zeitachsen und um wer wann was wusste, vorgetragen durch Personen, die niemand kennt.

Das Interesse muss noch wachsen

Für den Durchschnitts-Amerikaner fehlt der Star-Faktor, der grosse Aufreger. Das zeigt sich an den Fernseh-Ratings: Über 13 Millionen haben in die erste öffentliche Anhörung am Mittwoch gezappt. Als der umstrittene Kandidat fürs Oberste Gericht, Brett Kavanaugh, sich vor dem Senat gegen Vorwürfe sexueller Übergriffe verteidigte, waren es 20 Millionen.

Und solange das Interesse an der Ukraine-Affäre nicht wächst, können die Republikaner vernebeln, sich laut beklagen, die Bidens beschuldigen und alle Demokraten – und das Impeachment ohne grossen politischen Schaden in den Boden versenken.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

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