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Reinhard Schulze: «Die unübersichtliche Lage durch den Krieg in der Ukraine setzte Krieg wieder auf den Plan»
Aus Tagesschau vom 07.10.2023.
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Eskalation im Nahen Osten Nahost-Experte: «Krieg ist wieder an der Tagesordnung»

Der Nahostkonflikt schwelt schon seit Jahren. Warum ist es gerade jetzt zu einer Eskalation gekommen und welche Rolle spielen die arabischen Nachbarländer? Nahost-Experte Reinhard Schulze ordnet ein.

Reinhard Schulze

Reinhard Schulze

Islamwissenschaftler

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Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze studierte von 1974 bis 1981 Orientalistik und Islamwissenschaft, Romanistik und Linguistik an der Universität Bonn. Von 1987 bis 1992 wirkte er als Professor für Orientalische Philologie an der Ruhr-Universität Bochum, zwischen 1992 und 1995 als Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Bamberg. Ab 1995 bis zu seiner Emeritierung 2018 war er ordentlicher Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern. Schulz' wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des sozialen Wandels im Kontext der islamischen Welt.

SRF News: Der Nahostkonflikt schwelt seit Jahrzehnten – der letzte Krieg ist zwei Jahre her. Weshalb kommt es jetzt zur erneuten Eskalation?

Reinhard Schulze: Der Zeitpunkt muss lange geplant gewesen sein. Eine solche Eskalation kann nicht von heute auf morgen durchgeführt werden. Die Gemengelage, die im Moment durch den Krieg in der Ukraine entstanden ist, hat die Situation begünstigt: Krieg ist wieder an der Tagesordnung. Hinzu kommt, dass die Hamas eine Art Rückendeckung durch Russland, durch den Iran und durch die Hisbollah hat. So konnte der Angriff insgesamt gewagt werden.

Die Frage ist: Warum kann diese terroristische Organisation eine ganze palästinensische Gesellschaft in Geiselhaft nehmen?

Dazu kommt die prekäre Situation von Israel, welche die Sicherheitsorgane teilweise lahmgelegt haben. Und nicht zu vergessen das symbolische Datum: Der Samstag war einen Tag nach dem 50. Jahrestag des Beginns des Jom-Kippur-Krieges 1973. Dieser war für Israel genauso überraschend.

Die Hamas hat mit diesem Grossangriff Israel überrumpelt. Welches sind die Motive der Hamas?

Der Hamas geht es darum, in Gaza und in Palästina eine Art von politischer Meinungsführerschaft durchzusetzen und sich als die Stimme Palästinas zu organisieren. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Hamas innerhalb der palästinensischen Gesellschaft nur eine Minderheit darstellt. Die Frage ist: Warum kann diese terroristische Organisation eine ganze palästinensische Gesellschaft in Geiselhaft nehmen?

Ein Junge steht neben einem israelischen Militärfahrzeug, das in Flammen steht.
Legende: Die radikal-islamische Hamas hat eine Militäroperation gegen Israel gestartet. Bild: Ein palästinensischer Junge neben einem brennenden israelischen Militärfahrzeug, aufgenommen am 7. Oktober 2023 im Gazastreifen. REUTERS/Mahmoud Issa

Wie ist die Situation jetzt? Ist das eine Eskalation zwischen Israel und der Hamas oder hat das Potenzial, den ganzen Nahen Osten zu treffen?

Auf den ersten Blick scheint es eine Auseinandersetzung zu sein zwischen der israelischen Armee auf der einen Seite und der Hamas und dem islamischen Dschihad auf der anderen. Die Fatah hält sich noch zurück. Einige palästinensische Splitterorganisationen, etwa die Volksfront, agieren schon auf der Westbank.

Saudi-Arabien will diesen Konflikt so weit es geht herunterkochen.

Aber: Noch ist es ein begrenzter Krieg. Wenn hingegen Israel versucht, eine Militäroperation in Gaza durchzusetzen – das hat die Hisbollah im Libanon schon angekündigt, dann wird das nicht auf den Raum Gaza begrenzt sein. Dann wäre auch Nordisrael involviert, und dann kann das noch weitere Eskalationsstufen bis hin zu Iran und Syrien zur Folge haben.

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Reinhard Schulze: «Saudi-Arabien will sich die Normalisierung nicht verderben lassen»
Aus Tagesschau vom 07.10.2023.
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Welche Rolle spielt heute Saudi-Arabien in diesem Konflikt?

Heute will Saudi-Arabien diesen Konflikt so weit es geht herunterkochen. Saudi-Arabien will sich die Normalisierung der Beziehungen zu Israel nicht zerstören lassen und will auch die politische Führerschaft, die Hegemonie in der Region, nicht abtreten. Das Land will nicht durch einen Krieg zwischen Gaza und Israel gestört werden. Deshalb ist Saudi-Arabien stark daran interessiert, dass es so schnell wie möglich zu Verhandlungen – wie das Saudi-Arabien nennt – kommt, aber man weiss nicht, ob das tatsächlich auch so geschehen wird.

UNO-Sicherheitsrat tagt am Sonntag

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Am Sonntag wird sich der UNO-Sicherheitsrat mit der Eskalation im Nahen Osten befassen. Das werde spannend, sagt Reinhard Schulze. Denn Russland werde sicherlich versuchen, eine Resolution einzubringen. Dann werde man sehen, ob die Grossmächte in der Lage seien, zu einer gemeinsamen Politik zu gelangen – trotz Krieg in der Ukraine.

Wie sieht es aus mit dem Iran? Wird dieses Land die militärische Karte zücken?

Damit droht das Land, wenn tatsächlich eine militärische Eskalation mit Bodentruppen in Gaza stattfindet. Dann wird auch der Iran nach der ganzen propagandistischen Arbeit, welche das Land geleistet hat, vor der Frage stehen, ob es das Versprechen einlöst und die Hamas sowie den islamischen Dschihad oder die Hisbollah unterstützen wird. Dann hätten wir so eine Art Grosskonflikt, der sich auch auf den Iran ausdehnen könnte.

Das Gespräch führte Cornelia Boesch.

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Tagesschau, 07.10.2023, 19:30 Uhr;

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