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Kein Friedensprozess in Sicht Ohne Hilfe von aussen bleibt der Nahostkonflikt in der Sackgasse

Nach einer weiteren gewalttätigen Woche im besetzten Westjordanland ist klar: Das Blutvergiessen wird nicht aufhören, solange die Welt nur hilflos zuschaut. Der Nahostkonflikt steht ohne Friedensbemühungen vor einer gefährlichen Ausweglosigkeit.

Der Schrecken der Ausweglosigkeit

Anfang Woche in Dschenin: Eine missglückte Verhaftungsaktion der israelischen Armee eskaliert, sieben Tote Palästinenser und über hundert Verletzte sowie acht verwundete israelische Soldaten sind das Resultat.

Die Vergeltung der Palästinenser folgt umgehend: Militante Palästinenser erschiessen vier Israelis in der Nähe der jüdischen Siedlung Eli. Darauf stürmen jüdische Siedler, einmal mehr, ein palästinensisches Städtchen, fackeln wahllos Häuser und Autos ab. Später tötet Israel mutmassliche Extremisten mit einer Drohne und zerstört das Haus eines mutmasslichen palästinensischen Terroristen. Ohne ordentliches Gerichtsverfahren gegen den Täter wird seine Familie obdachlos.

Mitten in dieser blutigen Woche will Israels rechts-nationalistische Regierung den Siedlungsbau in Judäa und Samaria, wie sie das besetzte palästinensische Westjordanland nennt, vorantreiben. Tausende Wohnungen sind in dem Gebiet geplant, welches die internationale Gemeinschaft einmal für einen künftigen palästinensischen Staat vorgesehen hatte.

Es braucht ernsthafte Friedensbemühungen

Nach internationalem Völkerrecht sind solche Siedlungen illegal, Israel bestreitet das. Einzelne Länder weisen darauf hin, und die internationale Gemeinschaft verurteilt die Gewalt, warnt vor einer Eskalation, die längst im Gang ist. Ohne ernsthafte Bemühungen ist diese kaum mehr zu stoppen.

In Israels Regierung sitzen rechtsextreme Minister, welche zu Gewalt an Palästinensern aufrufen, und die das ganze Land, auf dem jetzt noch Palästinenserinnen und Palästinenser leben, für sich wollen. Die Regierung denkt laut über einen Gross-Einmarsch ins Westjordanland nach.

Die palästinensische Führung, längst nicht mehr demokratisch legitimiert, arbeitet noch immer mit den israelischen Sicherheitskräften zusammen, auch wenn Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas immer wieder das Ende dieser Zusammenarbeit verkündet.

Die palästinensische Bevölkerung hat unter diesen Umständen buchstäblich keinen Ausweg. Die israelische Bevölkerung, trotz ihres mächtigen Sicherheitsapparats, aber auch nicht. Der Schrecken der Ausweglosigkeit trifft immer beide Seiten.

Nicht nur in Israel

Die USA, Israels bester Freund und Geldgeber, zeigten sich besorgt über Benjamin Netanjahus neue Regierung. Präsident Joe Biden fürchtet, dass die rechtsextremen Politiker die Situation in den besetzten Palästinensergebieten zum Explodieren bringen könnten.

Das ist allerdings längst passiert. Seit Februar erlebt Israel Terroranschläge wie seit Jahren nicht mehr, und reagiert darauf mit einer Antiterror-Kampagne, die Hass, Wut und Verzweiflung in den besetzten Gebieten noch mehr schürt.

Auch wenn der jahrzehntealte Nahostkonflikt nur noch selten in den Schlagzeilen ist: aus diesem ist Israels neue extreme Regierung entstanden. Sie ist zudem auch ein Zeichen der Zeit, wie die USA und viele andere Länder wissen.

In diesem Sinne ist Israel nicht anders als andere Länder, die sich als Demokratien verstehen. Mit dem Finger auf Israel zu zeigen wegen seiner extremen neuen Regierung, ist deshalb nicht angebracht. Das Demokratieverständnis steht weltweit unter Druck. Israel ist dafür nur ein weiteres Beispiel.

Susanne Brunner

SRF-Nahostkorrespondentin

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Susanne Brunner ist seit 2018 Nahostkorrespondentin für Radio SRF. Zuvor hatte sie zwölf Jahre lang die Sendung «Tagesgespräch» moderiert.

SRF 4 News, 22.6.23, 9:45 Uhr

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