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Eskalation im Nahostkonflikt Tote nach Gefechten mit israelischer Armee im Westjordanland

  • Bei einem Militäreinsatz der israelischen Armee in der Stadt Dschenin im besetzten Westjordanland ist es zu Gefechten mit Palästinensern gekommen.
  • Dabei wurden mindestens fünf Palästinenser getötet und Dutzende verletzt, wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte.
  • Offenbar wollten die Soldaten den Sohn eines inhaftierten Hamas-Mitglieds festnehmen.

Das israelische Militär berichtete von sieben verletzten Soldaten, nachdem eine Einheit während einer Razzia in Dschenin unter Beschuss geraten sei. Die Armee sei gezwungen worden, mithilfe eines Helikopters einen Einsatz zu starten, um die Soldaten herauszuholen.

Einem Armeesprecher zufolge feuerte dabei ein Apache-Kampfhubschrauber auf offenes Gelände. «Wir wissen, dass Palästinenser getroffen wurden, in ziemlich grosser Zahl», sagte er.

Einem Vertreter der palästinensischen Fatah-Partei zufolge stiessen Kämpfer aus den benachbarten Städten Nablus und Tulkarem zu den Geschehnissen hinzu. Mindestens zwei der getöteten Palästinenser gehörten demnach der Extremistengruppe Islamischer Dschihad an.

Das sagt SRF-Nahostkennerin Susanne Brunner

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«Seit Anfang 2021 hat Israel eine Welle von tödlichen palästinensischen Terroranschlägen erlebt. Einige der mutmasslichen Terroristen stammten aus Dschenin. Deshalb hat Israel seine Militäreinsätze dort verstärkt.

Die neusten gewalttätigen Ereignisse finden vor einem politisch aufgeladenen Hintergrund statt: Israels rechts-nationalistische Regierung will den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten vorantreiben. Es sind Gebiete, die gemäss breitem internationalem Konsens einmal zu einem künftigen Palästinenserstaat gehören sollen. Das schürt die Verzweiflung in den besetzten Gebieten, wo die Hoffnung zusehends schwindet.

Die palästinensische Bevölkerung fühlt sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen, aber ebenso von der eigenen, längst nicht mehr demokratisch legitimierten Führung in Ramallah. Ernsthafte Friedensgespräche mit Israel gab es seit mehr als zehn Jahren keine mehr.

Die Folge: eine Radikalisierung auf beiden Seiten. In Israel rufen rechtsextreme Minister ungestraft zu Gewalt gegen Palästinenser auf, in den Palästinensergebieten gibt es neue, gewaltbereite Gruppierungen, die nicht mehr unter Kontrolle der etablierten Parteien Fatah und Hamas sind. Die Eskalation in Dschenin zeigt: ohne Vermittlung wird es im Westjordanland zum Krieg kommen. Und der wird auch für Israel gefährlich, denn die militanten palästinensischen Gruppierungen sind von Iran finanziert.»

Ein Vertreter der Gruppe sagte, der Einsatz von Helikoptern werde die Kämpfer «dazu zwingen, Werkzeuge einzusetzen, die den Feind überraschen werden».

Militante wussten von der Razzia

Offenbar wollten die israelischen Soldaten in Dschenin unter anderem den Sohn eines Mitglieds der radikal-islamischen Hamas verhaften, der in einem israelischen Gefängnis sitzt.  

Militante Palästinenser waren offenbar auf den israelischen Militäreinsatz vorbereitet. Sie legten einen Sprengsatz, die Fahrzeuge der israelischen Soldaten wurden beschädigt, Soldaten verletzt. Aus einer Verhaftungsaktion wurde eine stundenlange Schlacht.

Vermehrte Razzien

Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Immer wieder kommt es in der Stadt zu gewaltsamen Konfrontationen mit dem israelischen Militär. Die Armee führt im Westjordanland seit einer Reihe von Anschlägen auf Israelis vermehrt Razzien durch.

Seit Beginn des Jahres wurden 126 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 18 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen ums Leben.

Israel eroberte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat.

SRF 4 News, 19.06.2023, 11:00 Uhr ; 

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