Salopp gesagt geht es um die Frage: Wer bezahlt für die Müllabfuhr in der Zukunft? Denn bereits heute sei klar, dass man Teile des CO2, das wir heute in die Atmosphäre pumpen, morgen wieder absaugen muss, sagt der Physiker Johannes Bednar vom internationalen Institut für angewandte Systemanalyse im österreichischen Laxenburg: «Selbst, wenn sich die ganze Welt darauf einigen würde, in 2050 auf Netto Null zu gehen, würde es noch immer nicht reichen, die Erwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen.»
Die Erwärmung wird die 1.5 Grad übersteigen
Die Erwärmung wird also über die angepeilten anderthalb Grad hinausschiessen und sie wird wieder abgesenkt werden müssen, indem CO2 aus der Luft entfernt werden wird – das zeigen Analysen des Weltklimarats.
Bereits heute werden zwar CO2-Einfang-Technologien entwickelt, aber es gibt grosse Fragezeichen, warnt Bednar: «Es klingt alles schön und gut. In Modellen tut man so, als ob man wüsste, dass es diese Technologien in einer gewissen Grössenordnung geben wird. Man weiss das aber nicht und man kennt auch die Kosten nicht.»
Johannes Bednar und seine Forscherkollegen haben versucht, diese abzuschätzen: Weil es um gigantische Mengen CO2 gehen wird, werde das Unternehmen sehr viel kosten – etwa so viel wie wir heute insgesamt für die Gesundheit ausgäben: «Und das ist nicht, um die Emissionen auf null zu senken, das ist nicht, um Schäden zu bekämpfen. Das ist nur, um CO2 aus der Luft zu saugen.»
Wir bekommen ein Riesenproblem mit generationsübergreifender Gerechtigkeit.
Kosten, die die heutige Generation verursacht, die aber unsere Kinder und Enkel bezahlen werden müssen. Für sie werde es schwierig sein, die Verantwortlichen zu belangen, also zum Beispiel jene Unternehmen, die über Jahrzehnte das CO2 in die Atmosphäre gepumpt hätten. «Wir bekommen ein Riesenproblem mit generationsübergreifender Gerechtigkeit. Also in Zukunft muss man dann über massive Subventionen sprechen, um heutiges CO2 wieder aus der Luft zu holen.»
Eine neue Abgabe, um künftige Schäden zu bezahlen
Und das in einer Zukunft, in der die Erde bereits so heiss sein wird, dass die Klimaschäden viel grösser sein werden als heute, in der es folglich viel teurer werde als heute, um die Schäden zu bezahlen und die Gesellschaft ans veränderte Klima anzupassen.
Aus Sorge vor dieser Entwicklung stossen Bednar und seine Kollegen nun eine Debatte an und verlangen: Wir müssten heute die Summen beiseitelegen, um die künftigen Kosten für die CO2-Müllabfuhr zu decken. Ihr Prinzip: Jeder, der die Atmosphäre mit CO2 belaste, müsse sich verpflichten, dieses später so weit nötig wieder aus der Atmosphäre herauszuholen: «Statt das Recht zu kaufen, in der Atmosphäre permanent CO2 einzulagern, habe ich das Recht, etwas temporär in der Atmosphäre einzulagern. Ich bin aber gezwungen, das später wieder zu entnehmen.»
Die Forscher schlagen ein System analog normaler Bankkredite vor: Ein Ölkonzern, zum Beispiel, muss passend zu seinen Emissionen einen CO2-Rückholkredit aufnehmen und darauf Zinsen zahlen – deren Höhe richtet sich nach dem Risiko: Je grösser die Gefahr, dass das Unternehmen Pleite gehen könnte, bevor es den Kredit zurückzahlen muss – also sein ausgestossenes CO2 wieder aus der Atmosphäre holen, desto höher die Zinsen.
Man weiss: Man muss später mit drei Grad oder mehr zurechtkommen.
Das Forscherteam um Bednar weiss: Es ist ein weiter Weg, bis sein Vorschlag von der Politik ernsthaft diskutiert werden wird. Falls sie das gar nicht wolle, müsse sie aber auch konsequent sein: «Dann wäre es auch an der Zeit, sich auf eine andere Zukunft einzustellen, und sich nicht die 1.5 Grad immer wieder vorsprechen, wenn man weiss: Man muss später mit drei Grad oder mehr zurechtkommen.»
Immerhin, erste Gespräche über ihren Vorschlag haben die Forscher mit der Weltbank bereits führen können.