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Weltklimakonferenz in Glasgow Putin kann den Klimawandel nicht länger leugnen

Bisher hat Russland dem Klimaschutz keine sehr hohe Priorität eingeräumt. Nun strebt es bis 2060 Klimaneutralität an.

Der russische Präsident Wladimir Putin ist – im Gegensatz zu anderen Staatschefs und -chefinnen – nicht an die UNO-Klimakonferenz in Glasgow gereist. Dafür aber hat Russland bereits im Vorfeld der Konferenz angekündigt, man strebe bis 2060 Klimaneutralität an.

Eine Erwärmung ist für so ein kaltes Land wie Russland vielleicht gar nicht schlecht, dann muss man weniger Geld für Pelzmäntel ausgeben.
Autor: Wladimir Putin Russlands Präsident

Dies, obwohl Putin den Klimawandel in der Vergangenheit gerne ab und zu angezweifelt hat. «Er hat sogar Witze darüber gemacht», weiss SRF-Auslandredaktorin Judith Huber. «So hat er vor Jahren einmal gesagt, eine Erwärmung sei für so ein kaltes Land wie Russland vielleicht gar nicht schlecht, dann müsse man weniger Geld für Pelzmäntel ausgeben.»

Hohe Kosten wegen schwindendem Permafrost

Die Absicht, Klimaneutralität zu erreichen, komme deshalb einer Kehrtwende auf höchster Ebene gleich – zumindest was das Bewusstsein und die Rhetorik anbelange, sagt Huber.

Ein Grund dafür ist, dass man in Russland die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher spürt: Die Winter werden wärmer, der Permafrost taut auf und die Waldbrände häufen sich. Besonders ernst ist es im Norden. In Sibirien beispielsweise führt das Auftauen des Permafrosts dazu, dass der Untergrund instabil wird und Häuser und Industriebauten, aber auch militärische Infrastrukturen abrutschen.

Die Leugnung des Klimawandels ist nun Vergangenheit.
Autor: Judith Huber SRF-Auslandredaktorin

Die Armee sieht deshalb gigantische Kosten und Probleme auf Russland zukommen. Zudem werden schlechtere Ernten befürchtet, steigende Lebensmittelpreise und Klimaflüchtlinge aus Staaten in Zentralasien.

Klimawandel eröffnet neue Geschäftsfelder

«Das beschäftigt die Leute – und offenbar jetzt auch die Regierung und Präsident Putin», so Huber. Er hat sich in den letzten Monaten und Wochen wiederholt besorgt über die Naturkatastrophen im eigenen Land geäussert. Russland müsse die Herausforderungen des Klimawandels annehmen, sagte er. Und er hat die Regierung beauftragt, Pläne auszuarbeiten, um Russland bis 2060 klimaneutral zu machen.

Für die Auslandredaktorin steht fest: «Die Leugnung des Klimawandels ist nun Vergangenheit.» Man sehe ihn als Tatsache und wolle nun etwas dagegen unternehmen. «Und es gibt offenbar auch Leute in der Regierung, die sehen, dass der Klimawandel ihnen vielleicht auch neue Geschäftsfelder eröffnet.»

Russlands Wälder sollen das CO2 absorbieren

Seit neuestem finanziert der Kreml auch alternative Energieprojekte. «Dabei geht es vor allem um Solarenergie», wie Huber erklärt. Beim Erreichen der Klimaneutralität soll aber vor allem der russische Wald eine grosse Rolle spielen. Er soll das ausgestossene CO2 wieder absorbieren.

Bei den fossilen Energieträgern ist wirklich kein Umdenken zu erkennen, im Gegenteil.
Autor: Judith Huber SRF-Auslandredaktorin

«Allerdings sind da Fragezeichen angebracht», sagt Huber. Denn: Russland ist der weltweit viertgrösste Verursacher von Treibhausgasen. Die russische Wirtschaft und das Staatsbudget sind stark von der Gas- und Ölförderung abhängig. Zudem wird viel Steinkohle exportiert – in letzter Zeit sogar noch mehr, wegen der grossen Nachfrage in Asien, vor allem in China. «Bei den fossilen Energieträgern ist wirklich kein Umdenken zu erkennen, im Gegenteil», bilanziert die Russland-Kennerin.

Ausserdem sei Energie in Russland sehr billig. «Das führt dazu, dass Energie verschwendet wird. Es fehlt also der Anreiz, die Infrastruktur zu modernisieren oder auch energieeffizienter zu machen. Und von daher gesehen sind die Kräfte, die eher ein ‹weiter so› wollen, sehr stark.»

SRF 4 News, 04.11.2021, 11:15 Uhr ; 

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