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In der Düngerindustrie wird Ammoniumnitrat nicht in Reinform eingesetzt
Aus SRF 4 News aktuell vom 05.08.2020. Bild: Reuters
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Explosion in Beirut «Die rötliche Rauchsäule ist typisch für Ammoniumnitrat»

In Beirut sind der Hafen und weite Teile der angrenzenden Innenstadt durch eine heftige Explosion zerstört worden. Laut Ministerpräsident Hassan Diab seien dort rund 2750 Tonnen Ammoniumnitrat ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen gelagert worden. Diese könnten explodiert sein. Journalist Paul-Anton Krüger ist Experte für Chemikalien. Er erklärt, welche fatale Wirkung eine unsachgemässe Handhabung von Ammoniumnitrat haben kann.

Paul-Anton Krüger

Paul-Anton Krüger

Journalist

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Krüger ist Nahost-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» mit Sitz in Kairo und betreute während Jahren das Dossier internationale Sicherheit.

SRF News: Wozu wird Ammoniumnitrat verwendet?

Paul-Anton Krüger: Hauptsächlich als Dünger. Es gibt auch andere chemische Anwendungen. Es ist aber auch bekannt dafür, dass es explosive Eigenschaften hat. Deswegen wird es immer wieder auch

für improvisierte Sprengsätze verwendet.

Wie gefährlich ist dieser Stoff?

Es hat immer wieder schwere Unglücke damit gegeben. In Nordkorea ist ein ganzer Zug explodiert, in China gab es einen Unfall mit hunderten Toten. Und es gab einen Unfall in Frankreich vor einigen Jahren. Das zeigt die Energie von Ammoniumnitrat.

Es gibt keinen Grund zu spekulieren, dass es sich um einen Terrorakt handelt.

Wenn man die Bilder aus Beirut sieht, so ist das Ausmass der Zerstörung gewaltig. Die Explosion war auf Zypern zu hören und ist von Erdbebenwarten registriert worden. Es gibt wenige Explosionen, die so heftig waren wie diese.

Wie oft kommen solche Explosionen vor?

Es gibt normalerweise Sicherheitsvorkehrungen, um das zu verhindern. Gerade in der Düngemittel-Industrie wird Ammoniumnitrat nicht in Reinform eingesetzt, sondern mit anderen Stoffen vermengt, die verhindern sollen, dass es explodiert. Aber es gibt immer wieder Fehler bei der Lagerung.

Wenn die Offiziellen im Libanon davon sprechen, dass 2750 Tonnen über Jahre dort gelagert wurden, ist es offenbar so. Aber das sind nur Spekulationen: Man wusste wahrscheinlich, dass das nicht so gut ist, aber der Stoff wurde aus irgendwelchen Gründen nicht anders gelagert.

Was können die Gründe für mögliche Explosionen sein?

Wenn man sich die Videos in den sozialen Medien betrachtet, sieht man, dass es vorher schon brannte und es kleinere Explosionen gab. Man sieht eine weisse Rauchsäule über dem betroffenen Areal, Blitze, kleine Explosionen. Es ist auch die Rede von Feuerwerkskörpern, die dort gelagert worden seien. Und es gibt diese massive Detonation mit der rötlichen, aufsteigenden Rauchsäule, die typisch ist für Ammoniumnitrat.

Video
Massive Explosion erschüttert Beirut
Aus SRF News vom 04.08.2020.
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Aber zu sagen, was genau die Ursache ist, dafür ist es zu früh. Das haben auch die libanesischen Offiziellen gesagt. Es gibt keinen Grund zu spekulieren, dass es sich um einen Terrorakt handelt. Natürlich gab es auch sofort Spekulationen über einen Luftangriff, aber ich sehe keine Belege.

Was braucht es, damit Ammoniumnitrat explodiert?

Eine möglichst hohe Konzentration wird in Düngemitteln verdünnt, um genau diese Gefahr zu vermeiden. Und es braucht eine Zündquelle – mehr nicht. Es kommt auch immer wieder in Sprengsätzen zum Einsatz. Der IS hat die Autobomben, die er in Mossul gezündet hat, auch daraus gebaut.

Wieso verwenden solche Gruppen Ammoniumnitrat für Sprengsätze?

Es ist relativ einfach zu beschaffen und hat auch eine relativ heftige Wirkung, wenn es nicht darauf ankommt, dass ein Sprengsatz klein und handhabbar ist. Also wenn man etwa ein Auto damit vollstopfen kann, das Volumen keine grosse Rolle spielt, ist das für viele Terrorgruppen das Mittel der Wahl.

Von der Sprengkraft her ist es nicht so effektiv wie zum Beispiel TNT oder moderner Plastiksprengstoff. Aber wie man jetzt auch hier in Beirut sieht: Die ausreichende Menge richtet auch einen entsprechenden Schaden an.

Das Gespräch führte Teresa Delgado.

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SRF 4 News, 05.08.2020, 09.10 Uhr;

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