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Finnland vor Nato-Beitritt Die Zeiten der offenen Grenzen in Finnland gehen zu Ende

1340 Kilometer lang ist die Ostgrenze von Finnland mit Russland. Vergangenen Woche ist das ehemals neutrale Land mit Schweden zur Nato-Mitgliedschaft eingeladen worden. Das hat Folgen, auch für die bald längste und unbefestigte Nato-Aussengrenze zu Russland.

Inmitten vieler Quadratkilometer Wald gibt es da plötzlich eine breite Schneise. Gut zehn Meter trennen den blau-weissen (finnischen) vom rot-grünen (russischen) Grenzpfosten in der Mitte. Dazwischen verläuft die Grenze zwischen Russland und dem künftigen Nato-Staat. Finnland möchte bis Ende Jahr dem Verteidigungsbündnis beitreten. Jyrki Säkkinen ist der finnische Beamte, der uns zum Grenzstreifen bei Kuusamo führt, 850 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Helsinki.

«Wir und unsere russischen Kollegen schauen dafür, dass hier niemand illegal die Grenze überschreitet», sagt Säkkinen, der mit seinem Team für die Bewachung eines gut 120 Kilometer langen Abschnittes zuständig ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Grenze gezogen und war im Kalten Krieg Teil des Eisernen Vorhangs. In den letzten Jahren nahmen die Spannungen zwischen Finnland und Russland wieder zu und kumulierten mit Beginn des Kriegs in der Ukraine.

Friedlich wie noch nie

Es ist paradox, denn so offen und friedlich wie in diesem Sommer war es entlang der Grenze schon lange nicht mehr. Erst Anfang Juli hob Finnland die seit über zwei Jahren geltenden pandemiebedingten Einreisebeschränkungen für Personen aus Russland wieder auf. Trotzdem gibt es kaum Grenzverkehr. Denn der russische Angriff auf die Ukraine hat dazu geführt, dass kaum noch Waren in die EU ausgeführt werden dürfen und gleichzeitig Moskau die eigenen Bürger und Bürgerinnen nur noch in Ausnahmefällen ausreisen lässt.

Kommt hinzu, dass Russland die Truppen, die entlang der Westgrenze zu Finnland stationiert waren, samt ihrer schweren Ausrüstung grösstenteils abgezogen hat, wie Satellitenaufnahmen belegen. Diese werden nun im Krieg in der Ukraine eingesetzt.

Abschied von der Neutralität

Aus Sicht Finnlands ist dieser Ruhe jedoch nicht zu trauen. Deshalb verabschiedet sich das Land nicht nur von der Neutralität, sondern auch vom Konzept der unbefestigten grünen Ostgrenze. Vergangene Woche beschloss das finnische Parlament ein neues Grenzgesetz, das auch den Bau von Grenzzäunen und elektronische Überwachungsanlagen vorsieht. Diese sollen das Überschreiten der Grenze ausserhalb der wenigen offiziellen Übergangsstellen weitgehend verhindern, erklärt Matti Pitkäniityy, Sprecher des finnischen Grenzschutzes (Rajavartiolaitos).

Ein Beamter in Uniform auf einer Waldstrasse
Legende: Ein Beamter des Finnischen Grenzschutzes (Rajavartiolaitos). imago images

Eine vollständige Abriegelung werde aber nicht angestrebt, sagt Pitkäniityy. Stattdessen werden finnische Stimmen laut, welche das Streuen von Minen im Grenzstreifen verlangen. Bereits im Kalten Krieg hatte Finnland dies getan und bis vor zehn Jahren waren lange Grenzabschnitte vermint. 2011 schloss sich dann das Land als eines der letzten Europas dem sogenannten Ottawa-Abkommen an, das Landminen verbietet.

Forderungen nach einer erneuten Verminung sind in Finnland jedoch klar in der Minderheit und kein realistisches Szenario. Für den Grenzschutz-Sprecher Pitkäniitty ist es ansonsten aber genau das Szenario des Kalten Krieges, das im Nachzug zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine das wahrscheinlichste ist. «Die Zeit der offenen Grenzen im Nordosten Europas neigt sich dem Ende zu», sagt Matti Pitkäniitty. «Das kann man bedauern, aber es ist eine Realität».

Echo der Zeit, 10.07.2022, 18 Uhr

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