Der Arzt Bassam Zaqout koordiniert die Arbeit der Palestinian Medical Relief Society (PMRS) in Gaza. Die NGO betreibt in den besetzten palästinensischen Gebieten mehrere Kliniken. Vor wenigen Tagen habe ein Stadtbewohner einen Anruf der israelischen Armee erhalten: Das Gesundheitszentrum nebenan müsse sofort geräumt werden, man erhalte dafür 20 Minuten Zeit.
«Das Gebäude war voller Patienten», erzählt Doktor Zaqout via Zoom. «Die Angestellten führten alle Anwesenden hinaus und versuchten, sie in Sicherheit zu bringen. Dann sahen sie zu, wie israelische Raketen das Gebäude trafen und es vollständig zerstörten.»
Fast pausenlose Bombardierungen
Die Lage in der Stadt ist katastrophal. Zaqout sagt, es gebe kein Wasser, kein Essen und keinen Strom. Dazu kommen fast pausenlose Bombardierungen und der Vormarsch der israelischen Bodentruppen. Zu Wochenbeginn ist er in den Süden geflohen. Die Menschen glaubten nicht, dass sie jemals nach Gaza-Stadt zurückkehren würden. «Jetzt ist eine vollständige Zerstörung im Gange, und die Vertreibung der Einwohnerinnen und Einwohner. Was danach kommt, wissen wir nicht. Aber es wird nicht das Ende sein. Ehrlich gesagt: Wir sind todmüde.»
Auch die 26-jährige Serena ist mit ihrer Familie in den Süden geflüchtet. «Mein Vater hatte Angst und sagte, wir müssten die Stadt verlassen. Um ein Uhr nachts sind wir aufgebrochen. Es war dunkel, der Himmel leuchtete rot wegen der Bombardements. Wenn ich daran zurückdenke, frage ich mich: Wie haben wir diese Nacht nur überlebt?»
Serena und ihre Familie flohen im Auto. Auf der völlig verstopften Strasse hätten sie viele Menschen gesehen, die Kleider, Matratzen und Decken trugen. Verletzte und Schwangere, die im Dunkeln zu Fuss unterwegs waren. Menschen seien auf der Strasse gesessen, andere umhergeirrt auf der Suche nach einer Bleibe, einem Zelt. Serena hat Glück: Ihre Familie hat eine Wohnung gefunden. Das Leben im Zelt bleibt ihr erspart.
Ein Zelt für 1400 Dollar
Noch auf der Suche nach einer Bleibe für sich, seine zwei Kinder und seine Frau ist Ibrahim. Zu Fuss ging der 40-Jährige zunächst allein Richtung Süden. So, wie es die israelische Armee verlange. Zwei Tage habe er nach einem Ort gesucht, aber keinen gefunden. Alles sei überfüllt.
Doch selbst, wenn er einen freien Flecken fände: «Den Luxus, ein Stück Land zu mieten, habe ich nicht. Mir fehlt sogar das Geld für ein Zelt. Jetzt suche ich nach einem Plätzchen auf der Strasse.» Ein Zelt koste derzeit um die 1400 Dollar, sagt Ibrahim. Für viele unerschwinglich.
Die Erschöpfung, die Verzweiflung ist in allen Gesprächen spürbar. Geradezu fehl am Platz scheint die simple Frage: Wie fühlen Sie sich? «Ganz ehrlich», sagt Ibrahim: «Im Moment haben wir keine Gefühle. Als Mann weine ich tagelang, aber nicht vor meiner Frau und meinen Kindern.» Er könne es sich nicht leisten, seine Gefühle mit seiner Familie zu teilen.