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Das Zeltlager auf Lesbos ist Regen und Kälte völlig ausgeliefert
Aus SRF 4 News aktuell vom 14.01.2021. Bild: Keystone
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Flüchtlingscamp auf Lesbos «Wasser fliesst durch die Zelte der Flüchtlinge»

Vom Flüchtlingslager «Kara Tepe» auf der griechischen Insel Lesbos kursieren Bilder und Videos, die die desolaten Zustände im Camp illustrieren: überschwemmte Böden, Wassergräben, die durch Zelte fliessen. In der Tat sei die Situation in den Camps auf den Inseln sehr schwierig, bestätigt die in Athen lebende Journalistin Rodothea Seralidou.

Rodothea Seralidou

Rodothea Seralidou

Freie Journalistin

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Die Journalistin berichtet seit 2011 für SRF und ARD aus Griechenland. Sie lebt in Athen.

SRF News: Sind die derzeit in den sozialen Medien kursierenden Bilder und Videos glaubwürdig?

Rodothea Seralidou: Auf jeden Fall. Auch wenn sich die Bilder seit den ersten Herbstregenfällen wiederholen: Immer, wenn es stark regnet, wird das Camp überschwemmt. Betroffen sind vor allem die unteren Bereiche des Camps.

Derzeit beträgt die Temperatur auf Lesbos bloss ein Grad Celsius.

Dort sammelt sich das Wasser, es fliesst in die Zelte, es bildet sich Matsch – und das bei Temperaturen von derzeit bloss rund einem Grad Celsius. Auf Lesbos könnte es demnächst sogar schneien – und die Menschen im Camp sind Wind und Wetter fast schutzlos ausgeliefert.

Tweet des Grünen EU-Parlamentariers Erik Marquardt

Nachdem das Lager Moria abgebrannt war, versprach die griechische Regierung, dass das neue Lager humanitären Kriterien genügen würde. Ist dem also nicht so?

Es ist kein Zufall, dass die Geflüchteten selber von «Moria 2» sprechen. Es gibt kaum Duschmöglichkeiten, als Toiletten stehen bloss Toitois zur Verfügung. Zwar sagt die griechische Regierung, die Infrastruktur werde laufend verbessert – doch die aktuellen Bilder und Videos zeigen eine alles andere als gute Situation.

Wegen Corona darf jede Person das Lager im Schnitt bloss einmal pro Woche verlassen.

Verschärft wird die Lage durch den Lockdown: Pro Tag dürfen bloss 900 Personen das Lager für maximal drei Stunden verlassen – dabei leben rund 7000 Menschen in dem Camp. Das heisst also, dass jede Person das Lager bloss einmal pro Woche verlassen darf. Sie können den Zuständen im Lager also kaum entkommen, was den seelischen Druck auf die Menschen weiter erhöht.

Die derzeit kursierenden Bilder stammen von Flüchtlingen und Migranten selber. Medien haben wegen der Corona-Pandemie keinen Zutritt zum Lager. Und Mitarbeiterinnen dürfen nicht mit den Medien sprechen. Weshalb ist das so?

Im neuen Gesetz zu den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist eine Verschwiegenheitspflicht festgehalten. Demnach dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Camps ihre Beobachtungen nicht weitergeben – selbst dann nicht, wenn sie gar nicht mehr dort arbeiten.

Wer in einem Camp arbeitet, darf keine Informationen nach draussen weitergeben.

Die Nachrichten über die Missstände in den Lagern stammen derzeit deshalb von Helfern, die nicht selber dort arbeiten, aber Kontakte zu den Geflüchteten haben. Dazu gehören etwa Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen.

Athen plant neue Camps auf den Inseln

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Athen plant neue Camps auf den Inseln
Legende: Reuters

Die griechische Regierung will die Zeltlager auf den Ägäisinseln – also auch jenes auf Lesbos – durch neue, besser ausgerüstete und permanente Camps ersetzen. Sie sollen eine bessere Unterbringung der Menschen ermöglichen. Dazu will die Regierung eng mit der EU zusammenarbeiten. Allerdings sollen diese Lager weit abseits von bewohnten Gegenden erstellt werden. Das haben die örtlichen Bürgermeister verlangt, damit sie dem Vorhaben zustimmen. Ausserdem ist von geschlossenen Camps die Rede – mit doppeltem Nato-Zaun und im Lager patrouillierenden Polizisten. Es wird sich erst noch zeigen, ob die Lager tatsächlich wie angekündigt bis Ende 2021 erstellt und ob sie nicht eine Art Hochsicherheitsgefängnis sein werden, welche die Migrantinnen und Migranten nicht verlassen können, bis der Asylentscheid gefallen ist. (R. Seralidou)

Die Zahl der neu in Griechenland angekommenen Flüchtlinge ist im vergangenen Jahr gegenüber 2019 um das Sechsfache auf rund 10'000 zurückgegangen. Weshalb bessert sich die Lage in den Camps trotzdem nicht?

Das hat viele Gründe. Viele Camps sind trotz der tieferen Zahlen immer noch überfüllt. Dazu gehört etwa das Lager auf Samos: Es ist für maximal 700 Menschen vorgesehen, laut dem UNHCR leben dort aber fast 4000 Personen. Nur wer als verletzlich gilt, wird aufs griechische Festland gebracht. Die anderen müssen auf den Inseln bleiben, bis sie ihren Asylentscheid erhalten. Hinzu kommt sicher auch der Faktor Abschreckung: Die Regierung deklariert immer wieder, dass Griechenland nicht das Tor nach Europa für die Migranten sei.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News aktuell vom 14.1.2021, 07.40 Uhr;

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40 Kommentare

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  • Kommentar von Margot Helmers  (Margot Helmers)
    Mit Emotionen gibt es keine nachhaltige Lösung. Man könnte die paar tausend Migranten schon in der EU / Schweiz verteilen, wäre kein Problem. Aber die "Erfolgsmeldung" würde sofort in den digitalen Medien verbreitet und weitere Migranten animieren von der Türkei nach Griechenland überzusetzen. Eine endlos Spirale... . Man sollte den Migranten eine Rückkehrhilfe anbieten, damit sie wenigstens die Schlepperkosten zurück erhalten würden und somit ihr "Gesicht" in ihrer Gesellschaft wahren könnten.
  • Kommentar von Claudia Beutler  (Claudia)
    Traurig wie hier alle Kommentare, die eine Unterstützung der Flüchtlinge befürworten mit Ablehnung bedacht werden. Dort vegitieren Menschen in Zelten im Schnee bei Minugraden und Ihnen ist es egal. Argumente :Hier gibt es auch Arme. Ja, aber die sitzen im Warmen und drohen nicht zu erfrieren. Wenn das erste Flüchtlingskind erfohren ist, ist der Aufschrei wieder gross. Wir müssen die Flüchtlinge ja nicht in die Schweiz holen, aber wenigsten helfen gute Unterkünfte zu bauen.
    1. Antwort von Ueli von Känel  (uvk)
      Das ist leider so, Frau Beutler, dass Selbstgerechtigkeit und Herzlosigkeit viele Ablehnungen der Oeffnung für das Geschick der Flüchtlinge kennzeichnen. Erschreckende Herzenskälte!
    2. Antwort von Ueli von Känel  (uvk)
      Mein Kommentar wird durch die vielen Dislikes, insb. bei Frau Beutler, bestätigt. Himmeltraurig !!
    3. Antwort von robert mathis  (veritas)
      Frau Beutler ich denke nicht dass die Unterstützung der Flüchtlinge mit Ablehnung bedacht werden man bedenke nur der Millionen die regelmässig gespendet werden man sollte bitte auch realistisch sein und einsehen dass wir nicht alle Menschen aufnehmen können das hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun wie ständig unterstellt wird.Ich warte auf brauchbare Vorschläge gerade von diesen Seiten die immer nur fordern leider ist kritisieren einfacher als selber etwas tun.
    4. Antwort von Ueli von Känel  (uvk)
      Herr Mathis: Ich tue etwas für Flüchtlinge, da ich in ein Integrationsprojekt involviert bin erstens und zweitens spende ich. So gehöre ich nicht zu der von Ihnen zuletzt genannten Kategorie.
  • Kommentar von Manuela Fitzi  (Mano)
    Wohnen ist für die Durchschnittsbevölkerung sehr-sehr teuer. Die Bevölkerung verschuldet sich für Jahrzehnte, um ihr Zuhause aufzubauen, welches erdbebensicher sein muss. Oft hilft da die ganze Familie. Zudem wird das fertige Wohneigentum vermögensbesteuert, deswegen leben sie oft langjährig in halbfertigen Häusern. Vor solchem Hintergrund ist es klar, sie wollen nicht, dass den Migranten Wohmöglichkeit einfach so erschafft wird. Im Lager Häuschen zu bauen würde das Missgunst nur noch verstärken
    1. Antwort von John Livers  (John Livers)
      Frau Fitzi, wenn sie die teure Wohnsituation ansprechen, nicht nur das Vermögen muss versteuert werden, sondern der Eigenmietwert schlägt auch mit 3,65% Steuern zu Buche. Und das bei Nullzinsen bei der Bank.