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François Heisbourg «Die USA sind selbst schuld an ihrem Niedergang»

Was wir im Moment in den USA erleben, sei nichts anderes als der weltpolitische Selbstmord Amerikas. Von Präsident Donald Trump verschärft, jedoch nicht verursacht. Zu diesem Schluss gelangt der Strategieexperte François Heisbourg in seinem neuesten Buch.

François Heisbourg

Politik- und Strategieberater

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François Heisbourg ist ein französisch-luxemburgischer Sicherheitsexperte und Politikberater. Er leitete unter anderem mehrere Strategieinstitute in Frankreich und war Präsident des Stif­tungs­rats der Gen­fer Denk­fa­brik Zen­trum für Si­cher­heits­po­li­tik (GCSP). Zudem war er Mit­glied der fran­zö­si­schen Mis­si­on bei der UNO, und Si­cher­heits­be­ra­ter von Frankreichs Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters.

SRF News: «Der Selbstmord Amerikas» lautet der Titel Ihres Buches. Wollen Sie damit provozieren – oder ist das Ihre Analyse?

François Heisbourg: Nein, es geht mir nicht um eine Provokation. Es ist meine Analyse. Das, was in den USA passiert, der weltpolitische Niedergang Amerikas, ist im Wesentlichen selbstverschuldet. Natürlich versuchen Russland oder China, den Abstieg der USA zu beschleunigen. Aber sie haben ihn nicht verursacht.

Passiert es, weil es die politische Führung will – oder das Volk?

In den USA wählt das Volk seine Führung. Die Bewegung kommt tatsächlich von unten. Ich datiere den Beginn des Selbstmords auf den Irak-Krieg. Da nahm sich der republikanische Präsident George W. Bush vor, unterstützt von vielen Demokraten, Iraks Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Es war ihm egal, dass viele europäische Verbündete das Vorhaben entschieden ablehnten. Damals geriet das Bündnissystem erstmals ins Wanken. Die Europäer waren empört über die Amerikaner, die Amerikaner über die Europäer.

Die USA sind gerade dabei, sich eine Welt ohne Verbündete zu schaffen. 

Wie stark ist der Niedergang der USA auf Präsident Donald Trump zurückzuführen?

Es begann schon lange vor Trump und es wird nach Trump weitergehen. Er hat den Niedergang verschärft, aber nicht verursacht. Und es ist eine europäische Illusion zu glauben, dass unter einer Präsidentin Kamala Harris für Europa alles viel bequemer geblieben wäre.

Person im Anzug zeigt unterschriebenes Dokument im Büro.
Legende: Per Dekret krempelt Donald Trump im In- wie im Ausland derzeit vieles um, was zuvor gang und gäbe war. Keystone/Alex Brandon

Was sind die Konsequenzen der Abkehr der USA von ihrer Weltpolizistenrolle?

Die USA sind gerade dabei, sich eine Welt ohne Verbündete zu schaffen. Sie ignorieren damit eine Erkenntnis von Winston Churchill, nämlich, dass es besser ist, mühsame Alliierte zu haben als gar keine. Das werden die Amerikaner zu spüren bekommen, sollte tatsächlich bald ein offener Konflikt mit China ausbrechen. Da werden sie auf einmal feststellen, dass sie ziemlich einsam dastehen.

Die Führung in Peking tickt im Grunde ähnlich wie die Regierung Trump.

Wird nun die amerikanisch geprägte Weltordnung durch eine chinesische abgelöst? Oder droht weltpolitisches Chaos?

Die Antwort ist klar: Chaos. China ist vorläufig ausserstande, eine taugliche Alternative zum untergehenden amerikanischen Imperium anzubieten. Es hat keine Bündnisnetzwerke und keine überzeugende Idee für eine alternative Weltordnung. Die Führung in Peking tickt im Grunde ähnlich wie die Regierung Trump: Sie denkt nicht an die Welt, sondern nur an sich selbst.

Drei Männer in Anzügen gehen nebeneinander.
Legende: Diese drei würden es wohl begrüssen, wenn die USA ihre Weltpolizistenrolle abgeben würde: Der russische Präsident Wladimir Putin mit Chinas Staatschef Xi Jinping und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un an der Militärparade in Peking. (3.9.2025) Keystone/ Korean Central News Agency

Wie bedeutend ist der Schulterschluss zwischen den autoritären Regimen Chinas, Russlands, Nordkoreas und Irans?

Das ist momentan eine wichtige Partnerschaft. Aber ist sie auch nachhaltig? Ich glaube nicht. Zusammengehalten wird diese Partnerschaft durch zwei gemeinsame Feinde: Erstens die USA als Macht, zweitens die Demokratie als Regierungsform.

Europa bekommt nun die Gelegenheit, bedeutender zu werden.

Hat stattdessen Europa die Chance, die langersehnte geopolitische Bedeutung zu erlangen?

Europa verkörpert etwas. Wir haben eine Weltanschauung, die auf Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht gründet. Gute, edle Dinge. Aber wer für Europa weltweiten Einfluss anstrebt, muss sich bewusst sein: Das kommt nicht einfach so. Das ist teuer.

Europa wäre also mit einer solchen Rolle überfordert.

Europa bekommt nun die Gelegenheit, bedeutender zu werden. Aber wird es die Chance beim Schopf packen? Ich habe grösste Zweifel. Es fehlt der politische Wille. Und die Einigkeit.

 Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.

Echo der Zeit, 20.9.2025, 18 Uhr ; 

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