Der Cousin von Jonathan Guttmann, Aviathan, wurde vor zwölf Tagen von Hamas-Terroristen in den Gazastreifen verschleppt. Ein Lebenszeichen hat die Familie bisher nicht erhalten.
Es ist besser, Hoffnung zu haben, statt über Rache zu sinnieren.
In den ersten Tagen habe Wut dominiert, sagt der 31-jährige Arzt. Doch das habe ihm und seiner Familie zugesetzt. «Es ist besser, Hoffnung zu haben, statt über Rache zu sinnieren», sagt er.
Den Verschleppten ein Gesicht geben
Mit weiteren Betroffenen hat sich Guttmann dazu entschieden, den nach Gaza Verschleppten Gesichter und Namen zu geben – und ihre Geschichten zu erzählen.
So wollen die Angehörigen in Israel und ausserhalb Druck machen, um zuallererst die Verschleppten zu retten – mitgetragen vom regierungskritischen New Israel Fund, der sich für Demokratie und Zivilgesellschaft einsetzt.
Wir haben keine Sicherheit mehr und wissen nicht, wie weit das Ganze noch eskaliert.
Bei der angehenden Ärztin Noam Har Tzvi war das dominierende Gefühl Sorge, banges Warten und Ungewissheit – und kein Zeichen ihrer Freundin und Arbeitskollegin Shoshan Haran.
Die beiden Frauen und ihre Familien hatten in humanitären Projekten zusammengearbeitet. Sie brachten etwa Patientinnen und Patienten aus dem Gazastreifen in Israels Spitäler.
Nun ist es die Angst, die dominiert. «Wir haben keine Sicherheit mehr und wissen nicht, wie weit das Ganze noch eskaliert», sagt Noam. Sie und ihre Begleiter wollen Leben retten. Und je mehr die Gewalt zunimmt, desto kleiner ist die Chance für ihre Angehörigen und Freunde.
Brüssel, Strassburg, Bern und Genf
Die beiden Betroffenen werden begleitet von Jaron Bernstein vom New Israel Fund Schweiz und von Dan Sobovitz. Letzterer ist kein Angehöriger, sondern Kommunikationsprofi. Er hat bei der EU gearbeitet und nutzt jetzt seine Kontakte.
Nach Treffen in Brüssel und Strassburg sind es jetzt Bern und Genf. Das bringe die Verschleppten zwar nicht zurück, räumt er ein. Doch immerhin breite sich so ihre Botschaft aus.
Wenn es für die Verschleppten besser ist, dass die Schweiz mit der Hamas in Kontakt bleibt, dann soll sie alles tun, um verhandlungsfähig zu bleiben.
In Bern ergab sich am Mittwoch ein Austausch im Aussendepartment EDA. Zur Kernbotschaft hatte der New Israel Fund Schweiz, mitgetragen von alt Bundesrätin Ruth Dreifuss und dem Leiter der Friedensstiftung Laurent Goetschel, einen Appell gemacht.
«Die Entführten sollen im Fokus bleiben», sagt Bernstein. «Und wenn es für sie besser ist, dass die Schweiz mit der Hamas in Kontakt bleibt, dann soll die Schweiz alles tun, um verhandlungsfähig zu bleiben.»
Gutes Treffen beim EDA in Bern
Für Sobovitz war das Treffen in Bern das bisher beste. Andernorts gab es Tränen, Mitgefühl und Ratlosigkeit. Beim EDA habe es geheissen, man habe Kontakte nach Katar und zur Hamas in Katar – und suche pragmatische Lösungen. Das EDA schreibt auf Nachfrage von SRF allerdings, es pflege keine diplomatischen Beziehungen zur Hamas.
Wir brauchen nicht nur Tränen und Trost. Wir brauchen Taten!
Guttmann war bisher skeptisch gegenüber der neutralen Schweiz. Nun ist er überzeugt, solche Staaten brauche es, denn sie seien näher bei Freund und Feind. So fühle er sich näher bei seiner Familie.
Auch Noam ist hoffnungsvoll: «Wir brauchen nicht nur Tränen und Trost. Wir brauchen Taten!», sagt sie. Jetzt sei es das erste Mal, dass sie das Gefühl habe, jemand könne ihnen helfen.
Wohin sie ihre Reise noch bringt, ist offen. Es ist ihr Versuch, dieser dramatischen Situation nicht untätig ausgeliefert zu sein.