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Gerichtsentscheid in Israel «Die innenpolitischen Gräben sind so tief wie vor dem 7. Oktober»

Das Oberste Gericht Israels hat am Montag sein Urteil über ein Herzstück der hochumstrittenen Justizreform der Regierung Netanjahus gefällt: Das Gesetz sei ungültig. Der Entscheid fiel äusserst knapp. Das Gericht in Jerusalem entschied mit 8 zu 7 Stimmen .

Die rechtsreligiöse Parlamentsmehrheit des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hatte Ende Juli ein Gesetz verabschiedet, das es dem Obersten Gericht faktisch verunmöglicht, Gesetze umzustossen, welche das Parlament beschliesst. Dagegen hatten einige Bürger und Organisationen geklagt.

Auslandredaktorin Susanne Brunner hat sich intensiv mit der Thematik befasst. Im Gespräch schätzt sie das Urteil ein.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandsredaktion von Radio SRF.

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SRF News: Wie brisant ist das Urteil des Obersten Gerichts?

Susanne Brunner: Er ist sehr brisant, aus zwei Gründen. Erstens: Der Streit um die geplante Justizreform der Rechtsreligiösen von Netanjahu hat die israelische Gesellschaft praktisch das gesamte letzte Jahr beschäftigt. Hunderttausende gingen Woche für Woche auf die Strasse, um gegen diese Justizreform zu demonstrieren. Dies, da ein grosser Teil der Gesellschaft befürchtete, diese Regierung wolle die Justiz aushebeln, um ungehindert auch radikalste Gesetze zu verabschieden.

Menschen demonstrieren.
Legende: Menschen demonstrieren im August 2023 gegen die umstrittene Justizreform. Keystone/BIR SULTAN

Die Brisanz kommt zweitens daher, dass das Oberste Gericht sich nicht einmal in Kriegszeiten davon hat abhalten lässt, über ein Herzstück der Justizreform zu urteilen. Obwohl vor allem extrem rechte Politiker enorm Druck auf die Richterinnen und Richter ausgeübt hatten, ihr Urteil zu verschieben. Entsprechend verärgert haben diese Politiker reagiert: Sie sagten, das Urteil untergrabe die Einheit des Volkes in Kriegszeiten und schwäche die Truppen an der Front.

Wie glaubwürdig ist dieses Pochen auf Einigkeit?

Völlig unglaubwürdig. Mit ihrem Beharren auf ihrer hochumstrittenen Justizreform hat diese Regierung Gräben in der israelischen Gesellschaft vertieft. Diese Gräben vermag auch der Krieg gegen die Hamas nicht zuzuschütten. Seit Wochen demonstrieren wieder Tausende von Israelis gegen die Regierung und fordern sogar Netanjahus Rücktritt. Diese Menschen glauben, dass der Ministerpräsident vor lauter Fokussierung auf die Justizreform nicht vorbereitet war auf einen so massiven Angriff der Hamas auf Israel, obwohl es entsprechende Warnungen gab.

Wie reagierten die verschiedenen Lager auf den Entscheid des Gerichts?

Die Gegner und Gegnerinnen der Regierung sind erfreut über das Urteil des Obersten Gerichts. Sie betrachten es als starkes Zeichen für den Erhalt der israelischen Demokratie. Netanjahus Anhängerschaft hingegen betrachtet das Urteil als überhebliche Anmassung, als Machtmissbrauch der Richterinnen und Richter – erst recht in Kriegszeiten. Zwar sind Befürworterinnen und Gegner der Justizreform geeint im Krieg gegen die Hamas, aber die innenpolitischen Gräben sind so tief wie vor dem 7. Oktober.

Was ziehen Sie für ein Fazit?

Es spricht für die Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts, dass sie sich selbst in Kriegszeiten nicht scheuen, ein so wichtiges Urteil zu fällen. Israel führt nicht nur Krieg gegen die Hamas. Seit Monaten tobt auch ein innenpolitischer Streit um das Demokratieverständnis des Landes. Würde man Netanjahus Regierung ungehindert Grundgesetze abändern lassen, wie sie sich das wünscht, wäre das gerade in Kriegszeiten sehr gefährlich.

Das Gespräch führte Lukas Lüthi.

SRF 4 News, 02.01.2024, 09:00 Uhr ; 

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