Es gab einmal eine Zeit, in der Politikerinnen und Reporter aus der ganzen Welt mit Sergei Lawrow mitlachten: An einem Gipfel im Jahr 2013 etwa fiel für den damaligen US-Aussenminister John Kerry ein Teil der Simultanübersetzung von Lawrows Rede aus. Lawrow versicherte ihm sofort, was er gesagt habe, sei unbedenklich gewesen – Gelächter im Saal.
Inzwischen ist Lawrow 75 Jahre alt und seit 21 Jahren Russlands Aussenminister. Lange war er als schillernde Persönlichkeit bekannt: als begnadeter Fussballer an Diplomaten-Grümpelturnieren – und als Kettenraucher, der es nicht hinnehmen wollte, als die UNO-Zentrale in New York rauchfrei wurde.
2014 von Putin blossgestellt
Lawrow hatte Charme, der sehr schnell in furchterregende Sturheit kippen konnte. Erst brachte er der wartenden Presse Pizza und Wodka, dann erzählte er, warum etwa die russischen Militäreinsätze in Syrien oder Georgien notwendig gewesen seien.
Lawrow musste schon immer fragwürdige Kreml-Entscheide verkaufen. Weltweiten Respekt genoss er aber nur, als er diese Entscheide noch mittrug und mit beeinflusste. Das änderte sich 2014 mit Russlands militärischer Annexion der Krim: Lawrow, so sagen Insider und Expertinnen, wurde davor nicht konsultiert.
Stattdessen musste er auf der Weltbühne behaupten, auf der Krim seien keine russischen Truppen. Es war Wladimir Putin, der seinen Aussenminister blossstellte und kurz darauf zugab, dass das eine Lüge gewesen war.
Vom Einmarsch überrascht
Auch bei der Grossinvasion der Ukraine 2022 blieb Lawrow aussen vor. Dass er beim Kriegsentscheid keine Rolle spielte, deutete er selbst an. Zwar war er nicht der Einzige, denn Putin hatte den Angriff auf das Nachbarland im engsten Kreis beschlossen. Aber dass der diplomatische Titan Lawrow beim bedeutendsten aussenpolitischen Schritt der jüngeren russischen Geschichte im Dunkeln blieb, war bezeichnend.
Lawrows Aufgabe scheint es nun vor allem zu sein, die Linie des Chefs treu wiederzugeben. Bei wichtigen Verhandlungen setzt Putin heute lieber auf andere, die jeweils bestimmte Qualitäten haben: Bei den aktuellen Gesprächen mit den USA soll der Unternehmer Kirill Dmitriew die Sprache der Businessmänner in der Trump-Regierung sprechen. Der langjährige Berater Juri Uschakow spielt den raffinierten Hardliner.
Zu den Gipfeln mit der Ukraine schickte Putin den ehemaligen Kulturminister Wladimir Medinski, der an antiukrainischer Propaganda mitgewirkt hatte – ein Zeichen der Geringachtung.
Lawrow soll seit Jahren zurücktreten wollen
Nach China und Nordkorea sendet der Kreml-Herrscher den früheren Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Lawrows reduzierte Rolle ist auch ein Beispiel dafür, wie Putin seit der Annexion der Krim Ideologen begünstigt und Karrierebeamte ausgegrenzt hat.
Das alles scheint Lawrow nicht zu gefallen: Seit Jahren kursieren Gerüchte, der wandelresistente Putin habe mehrfach sein Rücktrittsangebot abgelehnt. Dennoch ist der Aussenminister kein Opfer des Systems: Recherchen zeigen, wie sehr er sich in seiner langen Amtszeit bereichert hat.
Sergei Lawrow muss also seine zunehmend erniedrigende Rolle weiterspielen. Beim G20-Gipfel in Delhi 2023 etwa wurde seine Aussage, die Ukraine habe Russland angegriffen, mit hörbarem Spott begrüsst.
Jetzt lachen die Politiker und Journalistinnen also nicht mehr mit Lawrow. Sie lachen über ihn.