Die 55-jährige Affaf Abu Alia nimmt uns mit auf das Dach ihres einfachen Steinhauses. «Siehst du dieses Land dort unten», fragt Affaf. «Das war unser Olivenhain, von hier bis dort». Sie zeigt auf eine grosse braune Ackerfläche unterhalb des Dorfes. Kein einziger Baum steht mehr dort.
Im August, kurz vor der Ernte, hat die israelische Armee im Dorf al-Mughayyir, nördlich der Stadt Ramallah, Tausende Olivenbäume entwurzelt, die Fläche danach planiert und beschlagnahmt. Laut eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen, wegen einer jüdischen Container-Siedlung, die in der Nähe illegal errichtet wurde. Affaf Abu Alia und ihre Familie haben alle 500 Olivenbäume, die der Familie gehörten, verloren. Und damit auch das Einkommen aus der Olivenernte.
Als Akt der Solidarität durften die Dorfbewohner von al-Mughayyir deshalb bei der Ernte im Nachbardorf helfen und einen Teil der Oliven behalten. Am 18. Oktober morgens um acht begann Affaf mit ihrem Mann und ihrem Schwager Oliven zu pflücken, als sie von einer Gruppe Siedler angegriffen wurden. Sie versuchten, sich im Auto in Sicherheit zu bringen, doch die Angreifer zertrümmerten Autofenster und zerstachen Pneus. Das Eintreffen der israelischen Armee beruhigte die Situation nicht, im Gegenteil. Die Soldaten nahmen Affafs Schwager kurzzeitig fest und versprühten Tränengas.
«Ich habe Diabetes und Bluthochdruck, ich bin krank», erzählt Affaf. Sie sei zusammengebrochen und habe sich unter einem Baum kurz ausgeruht. Doch dann sei bereits die nächste Gruppe Siedler gekommen.
Aktivist filmte den Angriff
Was dann geschah, hat ein amerikanischer Aktivist auf Video festgehalten. Es ist eine Szene erschreckender Brutalität. Ein schwarz vermummter Mann läuft mit einem Schlagstock auf Affaf zu und schlägt sie damit zu Boden. Er prügelt noch ein paar Mal auf die Frau ein und läuft weiter.
Affaf wird am Kopf verletzt und trägt Prellungen am ganzen Körper davon. Vier Tage verbringt die 55-Jährige im Spital. Dass sie, eine Frau, verprügelt worden ist, kann sie kaum fassen. «Das hätte ich nicht erwartet, ich habe ihnen doch nichts getan», sagt Affaf.
Der US-Amerikaner, der den Übergriff gefilmt hat, war nicht zufällig vor Ort. Er war Teil der sogenannten «protective presence»: Ausländische Aktivisten, aber auch jüdische Israeli, die versuchen, Gewalt gegen Palästinenserinnen und Palästinenser durch ihre schiere Anwesenheit zu verhindern.
Das gelingt nicht immer, doch wegen der Verbreitung dieses Videos erfuhr die Öffentlichkeit von dem Angriff auf die Bäuerin. Der 24-jährige Täter wurde Ende November verhaftet und wegen terroristischer Vergehen und Sachbeschädigung angeklagt.