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Giftgas in Syrien Herbe Niederlage für Russland

OPCW darf weiter Schuldige für Chemiewaffen-Angriffe ermitteln. Das passt Russland und China gar nicht. Eine Analyse.

Die OPCW, also jene Organisation, welche die Durchsetzung des weltweiten Chemiewaffenverbots überwacht, funktionierte bisher völlig unspektakulär und diskret. Und vor allem im Konsens. Doch damit ist nun Schluss.

Die Auseinandersetzung in Den Haag auf der jährlichen Vertragsstaatenkonferenz zwischen Russland und China einerseits und der klaren Mehrheit der OPCW-Mitglieder, angeführt vom Westen, andererseits, verläuft diesmal ausgesprochen heftig und teilweise gar gehässig. Noch droht zwar kein Land mit dem Austritt aus der hoch angesehenen Organisation, die 2013 den Friedensnobelpreis erhielt. Aber Russland kündigt bereits an, künftig seine Beiträge nicht mehr voll zu entrichten. Der Konflikt, ja die Spaltung ist ein schlechtes Omen für das künftige Funktionieren der OPCW.

Die Frustration in Moskau ist ebenso gross wie die Erleichterung in Washington, London, Berlin oder Paris. Denn mit deutlicher Mehrheit gelang es nun, die Kompetenzen der OPCW auszuweiten. Der Schritt, dass die C-Waffenbehörde nicht nur ermitteln darf, ob irgendwo C-Waffen eingesetzt wurden und welche, sondern auch durch wen, wurde bereits im Sommer vorgespurt und jetzt konkretisiert.

Experten können in Syrien ermitteln

Bereits Anfang Januar soll nämlich ein Expertenteam der OPCW die Ermittlungen im Fall Syrien aufnehmen. Das heisst, in ein paar Monaten dürfte die Weltöffentlichkeit endlich von einer unabhängigen und übergeordneten Instanz erfahren, wer die Schuld trägt an den Dutzenden von Chemiewaffenattacken in Syrien. In vielen Fällen dürfte es das Assad-Regime sein. Genau diese Schuldzuweisung wollte Russland verunmöglichen, indem es zuerst die Kompetenzausweitung für die OPCW verhindern und anschliessend das Budget, welches die Kosten für die neuen Ermittler enthält, blockieren wollte. Und zweifellos will der Kreml vorbeugend verhindern, dass die OPCW-Experten dereinst offiziell sagen, wer hinter der Giftgasattacke auf den russischen Ex-Spion Skripal im britischen Salisbury steckt.

Russland betreibt Obstruktion

Anders als im UNO-Sicherheitsrat gibt es jedoch bei der OPCW kein Vetorecht. Deshalb scheiterte Russland am Ende mit seinen Vorstössen. Allerdings: Wenn einmal die Schuldigen bekannt sind und es darum geht, sie anzuklagen und zu bestrafen, kommt wiederum der UNO-Sicherheitsrat ins Spiel. Und dort wird Moskau verhindern können – und wird das auch tun -, dass der Internationale Strafgerichtshof eingeschaltet wird und dort den Drahtziehern hinter den Giftgasangriffen tatsächlich der Prozess gemacht wird.

Hingegen könnten dann einzelne Staaten Anklage erheben gegen die syrischen Giftgasattentäter und so zumindest die Reisefreiheit von Assad & Co. in Zukunft erheblich einschränken oder ihre Konten blockieren. Ausserdem ist es ein symbolisch wichtiger Sieg und eine Genugtuung, vor allem für die Giftgasopfer in Syrien, wenn am Ende wenigstens die Schuldigen benannt und an den internationalen Pranger gestellt werden.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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