Wie können die hohen Gas- und Strompreise in Europa gesenkt werden? Um diese Frage geht es beim Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Klar ist: Finden die EU-Staaten keine gemeinsame Lösung und endet das Gipfeltreffen im Streit, dürfte dies vor allem Russland dienen. Es werde schwierig werden, eine Einigung zu finden, sagt SRF-Korrespondent Charles Liebherr in Brüssel.
SRF News: Die meisten EU-Länder fordern, dass für Gasimporte in die EU Maximalpreise festgesetzt werden. Andere EU-Staaten sind strikt dagegen und wollen die Marktkräfte spielen lassen. Ist eine Einigung überhaupt möglich?
Charles Liebherr: Gesucht wird eine Lösung, bei der sich am Ende der Verhandlungsnacht alle als Sieger fühlen können. Manche fordern massive Eingriffe in den Energiemarkt mit einem Preisdeckel, andere sehen vor allem Risiken in einer solchen Lösung und befürchten, dass die Energieversorgung Europas gefährdet werden könnte.
Eine massive Subventionierung der Energie schafft keine Anreize zum Sparen.
Sie betonen zudem, dass eine massive Subventionierung der Energie keine Anreize schafft, Energie zu sparen. Man wird also beschliessen, was unbestritten ist: gemeinsame Gaseinkäufe. Entscheide zu einer detaillierten Ausgestaltung einer Preisobergrenze werden dagegen wohl noch einmal hinausgeschoben.
Manche Länder haben bereits eigene Programme zur Verbilligung der Energie lanciert. Wieso braucht es aus Sicht der meisten EU-Staaten dennoch eine einheitliche, europaweite Lösung?
Beim Einkauf des Gases lohnt sich eine europaweite Lösung, damit alle mehr oder weniger gleich viel für das Gas bezahlen. Beim Strommarkt ist es viel komplizierter, weil die EU-Staaten sehr unterschiedliche Energiestrategien haben. Deshalb können nationale Preisdeckel den europäischen Energiemarkt verzerren.
Beim Einkauf des Gases lohnt sich eine europaweite Lösung.
Ausserdem können sich Subventionen der Energie nur jene Länder leisten, die nicht allzu hoch verschuldet sind. Darum fordern diese Länder mehr EU-weite Solidarität und mehr Mittel aus Brüssel. Es ist sehr schwierig, ein Gleichgewicht zwischen nationalen und europäischen Interessen zu finden.
Haben diese Forderungen nach mehr Geld von der EU eine Chance?
Je zentraler und nördlicher ein Land in der EU liegt, desto stärker ist die Abwehrreaktion gegen weitere gemeinsame EU-Schulden. Sogar die Beschränkung auf Kredite mit Rückzahlpflicht ist in vielen Ländern ein Tabu.
Es gibt noch hunderte Milliarden Euro aus dem Corona-Fonds zu verteilen.
Ihr Hauptargument ist stichhaltig: Es gibt noch hunderte Milliarden Euro aus dem Corona-Fonds zu verteilen. Und dieses Geld hat eigentlich denselben Bestimmungszweck: Investitionen in Energiesparmassnahmen oder ÖV-Angebote ausbauen. Da ist es durchaus sinnvoll, vor allem auf dieses Programm zu setzen. Ausserdem müssten neue EU-Schulden erst noch vereinbart werden, was viel Zeit braucht. Und diese fehlt.
Stimmt der Eindruck, dass die EU-Kommission bei der ganzen Diskussion eher auf der Bremse steht?
Ja – es dominiert eher eine zögerliche Vorgehensweise, der Gang des Machbaren. Im aktuellen Fall ist das aber eher ein Gütesiegel. Denn die Einführung eines Gaspreisdeckels birgt zweifellos grosse Risiken. In der ganzen Diskussion fehlt aber eine etwas ordnende Hand.
Es dominiert eine eher zögerliche Vorgehensweise – doch das ist diesmal eher ein Gütesiegel.
Das wäre eigentlich die Aufgabe von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Doch sie politisiert eher auf Linie der Mitgliedsländer und gibt keine eigene, klare Linie vor. Das kompliziert die Aufgabe der EU-Kommission, die ja das Monopol auf Vorschläge hat. Deshalb sehen wir seit Wochen das eher ermüdende Hin und Her zwischen den Gremien ohne klare Entscheidungen.
Das Gespräch führte Damian Rast.