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Gipfeltreffen in Kiew Der Weg nach Westeuropa ist noch weit für die Ukraine

Die EU-Spitzen treffen den ukrainischen Präsidenten. Nach wie vor prägt der Krieg im Osten des Landes die gegenseitigen Beziehungen.

Darum geht es: Heute findet der jährliche Ukraine-EU-Gipfel statt. Die Führungsspitzen der Europäischen Union treffen in Kiew Präsident Wladimir Selenski. Für die EU nehmen der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, an den Gesprächen teil. Themen sind dabei der Stand der Umsetzung des Assoziierungsabkommens, das die Ukraine näher an die EU führen soll sowie der ukrainische Konflikt mit Russland.

Deshalb ist das Treffen wichtig: «Es geht vor allem um Symbolik», sagt SRF-Russlandkorrespondent David Nauer. «Doch Symbolik ist wichtig.» Die Ukraine stehe unter anhaltend hohem Druck Russlands – gerade eben seien sehr aggressive Töne aus Moskau zu vernehmen gewesen, diesmal von Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der inzwischen im russischen Sicherheitsrat eine wichtige Rolle spielt. «In dieser Situation braucht Kiew jede Unterstützung aus dem Westen, das es kriegen kann», so Nauer.

Seit siebeneinhalb Jahren Krieg

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Ein Mann steht in seinem beschädigten Haus, das von einer Bombe getroffen wurde.
Legende: Keystone

Seit Februar 2014 herrscht im Osten der Ukraine Krieg. Dort kämpfen von Russland unterstützte Separatisten gegen die ukrainische Armee. Bislang starben dabei mehr als 13'000 Menschen. Trotz seines Wahlversprechens, den Krieg zu beenden, kann Präsident Selenski in seinen bisher zweieinhalb Amtsjahren keine Fortschritte vorweisen – im Gegenteil: «In den letzten Monaten sind die Kämpfe wieder intensiver geworden», sagt SRF-Russlandkorrespondent David Nauer.

Immerhin: Am Montag haben sich im Vorfeld des EU-Ukraine-Gipfels die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine auf einen neuen Anlauf zur Beilegung des Konflikts verständigt. Bald sollen sie sich zu Gesprächen treffen.

Zugleich verhängte die EU gegen acht weitere Personen restriktive Massnahmen im Zusammenhang mit der russischen Annexion der Krim 2014. Betroffen sind Richter, Staatsanwälte und Sicherheitsbeamte, die russisches Recht auf der Krim und in der Stadt Sewastopol durchsetzen. Insgesamt hat die EU mit Blick auf die territoriale Unversehrtheit der Ukraine inzwischen die Vermögenswerte von 185 Personen und 48 Organisationen eingefroren. Für sie gilt ausserdem ein EU-Einreiseverbot. Zudem hat die EU unter anderem Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt.

Diese Ziele verfolgt die EU: «Es geht darum, sicherzustellen, dass die Ukraine an die EU angebunden bleibt», sagt SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr. Neben der Unterstützung Kiews im Konflikt mit Moskau geht es Brüssel auch um Hilfe bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. So liefert Brüssel Impfstoff nach Kiew. Ausserdem soll die Ukraine wirtschaftlich unterstützt werden, etwa durch ein neues Luftverkehrsabkommen, das mehr Direktflüge vorsieht.

Darum ist der Weg nach Europa noch weit: Die Hoffnungen waren gross, als Präsident Selenski vor zwei Jahren gewählt wurde. Doch seine innenpolitische Bilanz ist durchzogen. Ein Beispiel ist das neue Oligarchen-Gesetz, das den politischen Einfluss der superreichen Ukrainer zurückdrängen soll – sicher ein lobenswertes und notwendiges Ziel. Doch das Gesetz hält keiner rechtsstaatlichen Prüfung stand – so soll die Liste der Oligarchen, deren Rechte eingeschränkt werden, vom Sicherheitsrat unter Führung des Präsidenten erstellt werden. «Selenski hat sich damit ein Instrument geschaffen, um künftig autoritärer zu regieren», sagt Nauer.

EU-Beitritt in sehr weiter Ferne

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Ein Beitritt der Ukraine zur EU ist in absehbarer Zeit nicht realistisch. «Auch auf Jahrzehnte hinaus ist das kaum vorstellbar», sagt David Nauer. Gleich sieht das EU-Korrespondent Charles Liebherr. Immerhin: Durch das Assoziierungsabkommen erhalte die Ukraine in einigen Bereichen einen privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Entsprechend wolle die EU den Handel und Investitionen fördern. «Die Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine ist eine Politik der kleinen Schritte», stellt Liebherr fest. Ziel sei auch, der Ukraine mehr Stabilität zu bringen.

Diese Fortschritte hat die Ukraine gemacht: «Die Ukraine ist ein freies Land: Man darf sagen, was man will, es gibt kritische Medien oder eine politische Opposition», betont Nauer. Dies im Gegensatz zu Russland: «Dort gibt es das alles nicht.» Und: In der Corona-Politik gehört die Ukraine bereits zum westeuropäischen Lager. So ist das ukrainische Impfzertifikat, wenn jemand mit einem westlichen Impfstoff geimpft worden ist, auch in der EU gültig. «Ganz anders die Russen: Sie brauchen für eine Reise in die EU ein Visum, ausserdem ist der russische Impfstoff Sputnik in der EU nicht anerkannt», sagt Nauer.

SRF 4 News, 12.10.2021, 07:50 Uhr ; 

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