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Grosse Nachfrage nach Waffen Nirgends wird stärker aufgerüstet als in Europa

Nirgendwo in der Welt schossen die Waffenimporte in den vergangenen Jahren derart steil in die Höhe wie in den europäischen Ländern. Und dabei haben die Effekte von Russlands Krieg gegen die Ukraine noch nicht einmal voll durchgeschlagen.

Die Entwicklungen im Rüstungsgeschäft lassen sich aussagekräftig nur interpretieren, wenn man Mehrjahreszyklen betrachtet. Dabei zeigt sich, dass in den Jahren 2018 bis 2022, verglichen mit der vorangegangenen Fünfjahresperiode, die europäischen Waffenimporte um 47 Prozent stiegen – und zwar inflationsbereinigt.

Trendwende seit Krim-Annexion

Offenkundig investieren die meisten Länder in Europa nicht erst seit Russlands Überfall auf die Ukraine im letzten Jahr wieder weitaus mehr in ihre Verteidigung. Das aggressive Verhalten des Kremls seit der Annexion der Krim 2014 ist aber der Hauptgrund für die Trendwende.

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Sie äussert sich auch im Nato-Ziel, jedes Mitgliedsland müsse mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in seine Streitkräfte stecken. Dies erreichen zwar noch nicht alle Nato-Länder, aber einige schon. Einzelne übertreffen es sogar.

Der aktuelle Krieg gegen die Ukraine dürfte den Waffenhandel noch stärker aufblähen. Das spiegelt sich bereits in stark steigenden Börsenkursen bei den Rüstungsherstellern.

In anderen Weltregionen, besonders in Afrika, in Lateinamerika und in geringerem Mass auch im Nahen Osten gingen die Rüstungseinkäufe indes zurück.

Am meisten Waffen aus den USA

Wie die Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zeigen, haben die USA ihren Status als weltgrösster Waffenexporteur weiter ausgebaut. Allein auf sie entfallen inzwischen 40 Prozent der globalen Rüstungsexporte. Das hängt direkt mit den enorm gewachsenen Importen europäischer Staaten, die sich stark auf US-Waffensysteme stützen, zusammen.

Russlands Weltmarktanteil bei den Exporten verringerte sich hingegen auf 16 Prozent; es liegt damit jedoch immer noch auf Platz zwei, vor allem dank umfangreichen Verkäufen nach China und Indien. Dahinter folgen auf der Exporteur-Rangliste Frankreich, China und Deutschland.

Die Schweizer Rüstungsindustrie rangiert noch auf Platz 14. Sie verlor rund ein Drittel ihres Umsatzes, verglichen mit der vorangegangenen Fünfjahresperiode.

Nach ihrer Unabhängigkeit 1991 und bis Ende 2021 importierte die Ukraine nur sehr wenig Waffen. Entsprechend hohl klingt es, wenn Russland wiederholt behauptet hat, man habe das Nachbarland überfallen müssen, weil man sich von diesem bedroht fühlte. Selbst zur Rückeroberung der Halbinsel Krim wäre die Ukraine ausserstande gewesen.

Grossbritannien will 5 Milliarden Pfund mehr für Militär ausgeben

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Angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine und weltweiter Krisen will Grossbritannien seine Verteidigungsausgaben weiter erhöhen. Wie die Regierung am Montag bekannt gab, sollen in den kommenden beiden Jahren knapp fünf Milliarden Pfund (5.5 Mrd. Franken) zusätzlich in die Streitkräfte investiert werden. Davon sollen rund drei Milliarden Pfund in nukleare Verteidigungsvorhaben wie das Sicherheitsbündnis Aukus mit den USA und Australien fliessen. Etwa 1.9 Milliarden Pfund sind für die Auffüllung der Munitionsvorräte vorgesehen. Der Bestand war wegen der Unterstützung der Ukraine zuletzt stark gesunken.

London hatte erst Ende 2020 die höchsten Rüstungsausgaben seit dem Ende des Kalten Krieges angekündigt. Nach Ansicht von Kritikern befindet sich die Armee allerdings in marodem Zustand. Grossbritannien ist einer der grössten Unterstützer der Ukraine.

Drittgrösster Rüstungsimporteur

Nach der russischen Invasion im Februar 2022 wurde die Ukraine dann aber zum weltweit drittgrössten Importeur von Rüstungsgütern – diese kamen in erster Linie aus den USA, Polen, Deutschland und Grossbritannien. Viele dieser Waffen sind nicht neuwertig, sondern gebraucht.

Zu Sowjetzeiten war die Ukraine ein bedeutender Standort für die Rüstungsindustrie. Doch in den fünf Jahren 2018 bis und mit 2022 fiel ihr Weltmarktanteil um mehr als zwei Drittel auf noch bescheidene 0.5 Prozent, liegt damit also noch unter jenem der Schweiz. Inzwischen kann sich Kiew gar nicht mehr erlauben, Waffen zu exportieren, da das Land alle dringend selber braucht.

HeuteMorgen, 13.03.2023, 06.00 Uhr

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