Im Iran sind Ende letzter Woche drei Menschen hingerichtet worden – sie hatten an den Protesten gegen die Regierung im vergangenen Jahr teilgenommen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer regelrechten Hinrichtungswelle im Iran seit Anfang Jahr. Diese habe aber nicht nur mit den Protesten zu tun, sagt ARD-Korrespondentin Katharina Willinger, derzeit in Istanbul.
SRF News: Stehen die vielen Hinrichtungen in diesem Jahr vor allem im Zusammenhang mit der Protestbewegung gegen das iranische Regime?
Katharina Willinger: Viele Beobachter nehmen das an. Sicher ist, dass die letzten drei Hinrichtungen in Isfahan so einen Fall darstellen. Viele Hinrichtungen betreffen allerdings auch das Drogenmilieu – das hat damit zu tun, dass seit 2021 absolute Hardliner im Iran an der Macht sind. Sie fahren einen noch härteren Kurs gegen jeden, der anders denkt als sie. Das war unter Präsident Hassan Rohani noch ein bisschen anders.
Die Proteste sind weniger geworden, die Einschüchterung des Regimes scheint zu wirken. Sind die Proteste aber auch wirklich ganz verstummt?
Auf den Strassen ist es tatsächlich ruhiger geworden. Der Protest scheint bei vielen Iranerinnen und Iranern im Kopf angekommen zu sein: Sie haben mit dem Mullah-Regime abgeschlossen. Ausserdem zeigen viele Frauen ihre Unzufriedenheit damit, dass sie sich der islamischen Kleiderordnung nicht mehr unterwerfen. Das erfordert sehr viel Mut. Denn es ist nach wie vor verboten, das Kopftuch in der Öffentlichkeit abzulegen.
Viele Frauen unterwerfen sich der islamischen Kleiderordnung nicht mehr – das erfordert sehr viel Mut.
Bestraft wird die Zuwiderhandlung durch Bussen, Haftstrafen oder Auspeitschung. Viele Frauen befürchten sogar, möglicherweise erst nach Monaten oder Jahren dafür bestraft zu werden. Doch der innere Wille, sich den Vorschriften der iranischen Republik nicht mehr zu beugen, ist derart gross, dass die Frauen das Risiko trotzdem in Kauf nehmen.
Gegen die Hinrichtungen gibt es zwar Proteste von westlichen Regierungen – auch von der Schweiz – , doch über die Proteste gegen das Regime im Iran wird hier kaum mehr berichtet. Fühlen sich die Menschen im Iran vom Westen im Stich gelassen?
Sie fühlen sich im Stich gelassen von der internationalen Politik. Immer noch würden Geschäfte gemacht mit dem iranischen Regime, immer noch gebe es eine Kooperation mit der Revolutionsgarde, heisst es etwa. Diese ist zwar in den USA, nicht aber in der EU als Terrororganisation gelistet. Auch würden die mittlerweile acht Sanktionspakete der EU kaum etwas bewirken, die seit Beginn der Proteste im September 2022 aufgelegt worden sind, wird kritisiert.
Glauben die Menschen noch daran, dass ein Regimewechsel möglich ist?
Bei jungen Menschen im Iran ist die Hoffnung sicher vorhanden. Eine ganze Generation Iranerinnen und Iraner, die nichts anderes kennen als die islamische Republik und die über das Schulsystem ideologisiert sein müssten, verspüren gegenüber dem Regime einen enormen Hass.
Eine ganze Generation Iranerinnen und Iraner verspüren gegenüber dem Regime einen enormen Hass.
Angesichts dieser Tatsache dürfte das Regime nur wenig Zukunftschancen haben. Trotzdem können sich die Mullahs womöglich noch längere Zeit halten: Der ganze Machtapparat, die Gewalt und die Armee werden völlig von der Revolutionsgarde beherrscht – und damit vom Regime.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.