Vor sieben Jahren erstach ein Mitglied der neofaschistischen Partei «Goldene Morgenröte» den linken Rapper Pavlos Fyssas auf offener Strasse. Der Mord schreckte Griechenland auf. Nach fünf Jahren Prozess hat ein Gericht die ehemals drittgrösste Partei des Landes nun als kriminelle Organisation eingestuft. 69 Mitglieder waren angeklagt, über 40 wurden verurteilt – auch wegen versuchter Morde an Migranten und Gewerkschaftern. SRF-Mitarbeiterin Rodothea Seralidou hat die historische Urteilsverkündung in Athen mitverfolgt.
SRF News: Wie begründen die Richter das Urteil?
Rodothea Seralidou: Sie sehen es als erwiesen an, dass sich hinter der Partei «Goldene Morgenröte» ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens drei Personen verbirgt, mit dem Zweck, Straftaten zu begehen. Damit sei der Tatbestand der Gründung und Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung erfüllt.
Für schuldig befunden wurden der Parteichef, alle ehemaligen Parlamentsabgeordneten und zwei weitere hochrangige Mitglieder. Zusätzlich wurde der Mörder von Rapper Pavlos Fyssas schuldig gesprochen. Das Strafmass ist noch offen. Dem Mörder von Fyssas droht lebenslänglich, den Anführern der kriminellen Organisation bis zu 15 Jahre Haft.
Vor dem Athener Strafgericht warteten 15'000 Demonstranten auf das Urteil. Wie sind die Reaktionen?
Bei Bekanntgabe des Urteils gab es riesigen Beifall. Teilnehmende äusserten sich sehr zufrieden. Ähnlich sind die Reaktionen in der Politik. Heute habe die Demokratie gewonnen und es liege in der Hand aller, dass das so bleibe, sagte der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis in einer Fernsehansprache. Von einer historischen Entscheidung sprachen auch der linke Oppositionschef Alexis Tsipras und Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou.
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Partei?
Als politische Partei kann die «Goldene Morgenröte» aufgrund des griechischen Rechtssystems nicht verboten werden. Weil aber ihre Führungsmitglieder nun als Teil einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden, ist es so gut wie sicher, dass die Organisation von der Bildfläche verschwindet oder zumindest keine Rolle mehr spielen kann.
Es ist so gut wie sicher, dass die Organisation von der Bildfläche verschwindet.
Die Organisation hat strikte hierarchische Strukturen und kann ohne ihre Führung nicht funktionieren. Auch das Gerichtsverfahren hat der Partei bereits enorm geschadet. Die Parteifinanzierung wurde eingestellt, die Büros mussten geschlossen werden, und sie haben es nicht mehr ins Parlament geschafft. Zudem haben ihr viele Sympathisanten den Rücken gekehrt.
Was heisst das für die extreme Rechte in Griechenland? Gibt es Parteien, die jetzt in die Bresche springen?
Es gibt neue Parteien, die ehemalige hochrangige Mitglieder der «Goldenen Morgenröte» gegründet haben. Aber auch sie wurden heute für schuldig erklärt. Das Urteil erstickt also praktisch auch diese Parteibildungen im Keim.
Trotzdem gibt es nach wie vor eine rechtsextreme Szene in Griechenland. Es wird auch künftig Gruppierungen geben, die die Rolle der «Goldenen Morgenröte» einzunehmen versuchen. Antifaschistische Organisationen sehen das heutige Urteil zwar als Sieg, wobei der Kampf gegen Neofaschismus und Rassismus weitergehen müsse.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.