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Humanitäre Lage weltweit Nothilfe: Mittelbedarf übersteigt Spendenbereitschaft bei weitem

Fast 340 Millionen Menschen dürften nächstes Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Ob das Geld dafür zusammenkommt, ist offen.

Der Chef der UNO-Organisation für humanitäre Hilfe (Ocha), Martin Griffiths, war kürzlich im westafrikanischen Burkina Faso in einer Kleinstadt. Die Region an der Grenze zu Mali und Niger ist von Gewalt gebeutelt.

In den Wochen vor seinem Besuch hatte kein Hilfskonvoi mit Lebensmitteln mehr die Stadt erreicht. Der Letzte, der versucht hatte, dorthin zu kommen, war angegriffen und niedergebrannt worden.

Die Frauen, so erzählten sie dem UNO-Spitzenfunktionär, gaben ihren Kindern Blätter von Bäumen und Büschen zu essen, angereichert mit etwas Salz. Doch dann wurden auch die Blätter knapp.

Immer mehr Menschen hungern

Hinter Globalzahlen über humanitäre Not verbergen sich stets Einzelschicksale – und erschütternde Trends. Einer davon: Hunger und Unterernährung sind weltweit, nach Jahren mit Fortschritten, wieder stark auf dem Vormarsch. Auch die humanitären Konsequenzen des Klimawandels mit mehr Naturkatastrophen wie Dürren oder Fluten werden immer deutlicher.

UNO braucht 25 Prozent mehr Geld als 2022

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Frauen erhalten Grundnahrungsmittel in Somalia.
Legende: Keystone

Mit 340 Millionen bedürftigen Menschen weltweit ist ein tragischer neuer Höchststand erreicht: So viele Menschen waren noch nie auf Nothilfe angewiesen. Der Mittelbedarf der Vereinten Nationen für Nothilfe steigt damit auf gut 51 Milliarden Dollar. Das sind 25 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Gleichzeitig zweifelt die UNO daran, dass so viel Gelder zusammenkommen.

Gleichzeitig werden neue Kriege vom Zaun gebrochen, wie jener von Russland gegen die Ukraine. Folge: Das Land wird nächstes Jahr jenes mit dem grössten Mittelbedarf für humanitäre Hilfe sein.

Zudem dauern alte Kriege fort – von Afghanistan über Syrien und Jemen bis zum Sahel. Auch die Corona-Pandemie liess die Opferzahlen steigen – vielerorts sind die Folgen noch längst nicht überwunden. UNO-Nothilfechef Griffiths spricht von «deprimierenden Rekordzahlen».

Riesige Finanzierungslücke

Gute Nachrichten gibt es ebenfalls, doch sie sind rar. So arbeiten inzwischen etwa die grossen humanitären Akteure – UNO und private Hilfswerke – weitaus besser zusammen als früher.

Manche Rivalitäten scheinen überwunden oder zumindest abgemildert. Und auf die Grosszügigkeit der mehrheitlich westlichen Geberländer scheint weiter Verlass, stellt UNO-Generalsekretär Antonio Guterres fest.

Bloss: Die humanitäre Not wächst weitaus schneller als die Mittel zunehmen, um sie zu lindern. Die UNO befürchtet deshalb, dass sie 2023 bloss gut vierzig Prozent der notwendigen Nothilfegelder von mehr als 51 Milliarden Dollar zusammenbekommen wird.

Die Finanzierungslücke erreicht also erschreckende sechzig Prozent. Das bedeutet nichts anderes, als dass es längst nicht überall reichen wird, um die nötige humanitäre Hilfe im nötigen Umfang zu leisten – falls überhaupt.

Kürzungen auch bei der Entwicklungshilfe

Verschärfend kommt hinzu, dass die meisten Geldgeber zwar ihre humanitären Etats nicht kürzen, jedoch ihre Entwicklungshilfebudgets.

Weniger Entwicklungshilfe und damit weniger nachhaltige Investitionen bedeuten vielerorts weniger Vorkehren gegen Naturkatastrophen und weniger Widerstandskraft einer Bevölkerung in Kriegs- und Notsituationen.

Insgesamt fügt sich das, was die UNO schildert, zu einem überaus düsteren Bild.

Rendez-vous, 01.12.2022, 12:30 Uhr

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