Es war eine typisch Macron'sche Strategie: Weil in der Nationalversammlung die Debatte zum Gesetz rund um den Impfpass stockte, wollte der Präsident mit einer klaren Mahnung an die Ungeimpften Stellung beziehen. Einerseits um den Druck auf die Abgeordneten zu erhöhen, andererseits um sich als klarer Befürworter des Impfens gegen die Opposition zu positionieren.
«Ungeimpfte sind verantwortungslos»
Diese Strategie hätte eigentlich aufgehen können, wäre da nicht Emmanuel Macrons Hang, bei Themen, die ihm dringlich scheinen, verbal über die Stränge zu schlagen. Er habe sehr grosse Lust, den Ungeimpften Ärger zu machen, meinte der Präsident in einer sehr umgangssprachlichen Formulierung.
Im Interview mit der Tageszeitung «Le Parisien» ging er sogar noch weiter: Die Ungeimpften seien verantwortungslos, und «Verantwortungslose sind keine Bürger mehr». Äusserungen, die besonders verwundern, wenn man an die Neujahrsrede des Präsidenten denkt, in der er erst vor vier Tagen die Französinnen und Franzosen zum einheitlichen Schulterschluss aufrief.
Gefährlicher Weg für Macron
Doch vielleicht ist diese sprachliche Wandlung vor allem einem zuzuschreiben: Vom Präsidenten wurde Emmanuel Macron zum Kandidaten – und er steigt somit kampfeslustig für seine eigene Nachfolge in den Ring.
Dass der Weg der Spaltung Stimmen bringen kann, zeigen Populisten weltweit. Aber für Emmanuel Macron könnte gerade dieser Weg gefährlich werden, denn er verstärkt ein Negativimage, das ihm seit Beginn seiner Amtszeit anhaftet: jenes des arroganten, volksfremden Alleinherrschers.