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Information im Ukraine-Krieg Kreml löscht bei letzten unabhängigen Sendern das Licht

Der Krieg in der Ukraine wird auch in den Medien geführt. Am Montag schaltete der Kreml den legendären Radiosender «Echo Moskau» und die Fernsehstation «Doschd» ab - wegen «Verbreitung von absichtlich falschen Informationen». Denn Begriffe wie «Invasion» oder «Angriff» sind im Zusammenhang mit der Ukraine verboten. Aber auch die ukrainische Kommunikation sei nicht unproblematisch, beobachtet der langjährige SRF-Russland-Korrespondent David Nauer.

SRF News: Welche Bedeutung haben «Echo Moskau» und «Doschd» in Russland?

David Nauer: Es sind die wichtigsten und letzten unabhängigen elektronischen Medien Russlands. Vor allem «Echo Moskau» ist einzigartig. Da treten Kreml-Kritiker, bissige Satiriker, Putin-Propagandisten und Komponisten ebenso auf wie Nationalisten. «Echo Moskau» machte in all den Jahren aus Russland Radio.  Stets mutig, engagiert und auf der Suche nach der Wahrheit und den richtigen Worten. Deshalb nannten sie den Krieg in der Ukraine jetzt auch «Krieg».

Dmitri Andrejewitsch Muratow
Legende: Friedensnobelpreisträger und Chefredaktor der kremlkritischen «Novaya Gazeta», Dmitri Andrejewitsch Muratow, im Oktober 2021 bei «Echo Moskau». Ende Februar sagte er in einem Video: «Unser Land hat auf Befehl von Präsident Putin einen Krieg mit der Ukraine begonnen. Und niemand kann ihn stoppen. Daher verspüren wir neben Kummer auch Scham.» imago images

Welche Rolle spielen die staatlichen russischen Medien in diesem Krieg?

Sie propagieren das Kreml-Narrativ. Das lautet in diesem Krieg bisher: Es ist nur eine militärische Spezialoperation, um die Menschen im Donbas in der Ostukraine vor der Nazi-Junta in Kiew zu befreien. Russische Angriffe auf Wohnhäuser und Zivilbevölkerung werden schlicht unterschlagen.

Gibt es noch alternative Informationskanäle in Russland?

Diese gibt es, doch es wird immer schwieriger. Die bekannten wie Facebook Youtube und Twitter funktionieren immer schlechter, werden zum Teil abgestellt oder massiv verlangsamt. Eine Alternative ist die App Telegram, die in Russland als Marktplatz unterschiedlichster Meinungen fungiert. Dort sind auch Informationen aus der Ukraine zu finden. Etwa Videos von Kämpfen und Zerstörungen oder russischen Kriegsgefangenen. Wer in Russland unbedingt will, erfährt, was in der Ukraine passiert. Viele wollen das aber wohl gar nicht so genau wissen.

Wie läuft die Informationspolitik in der Ukraine?

In der Ukraine ist das viel weniger staatlich gesteuert. Es ist ein viel freieres Land, und der Staat ist viel schwächer. Ich habe allerdings den Eindruck, dass der Krieg das Land jetzt enorm zusammengeschweisst hat. Entsprechend ist auch die Berichterstattung auf einer Linie, nicht wegen Gleichschaltung, sondern angesichts der existenziellen Gefahr.

Was ist von den hohen Opferzahlen bei den Russen zu halten, welche die Ukraine meldet?

Die Ukraine meldet tatsächlich sehr hohe Zahlen von gefallenen Russen und zahlreiche abgeschossene Flugzeuge. Das lässt sich nicht überprüfen. Die ukrainische Kommunikation ist nicht unproblematisch. So werden zum Beispiel russische Kriegsgefangene auf Videos gezeigt, wie sie verhört werden, was gemäss humanitärem Völkerrecht verboten ist. Die Ukrainer machen es trotzdem dauernd, weil sie glauben, als Angegriffene das Recht dazu zu haben.

Gewinnt letztlich die Ukraine also den Informationskrieg?

Zumindest in weiten Teilen der Welt. Denn sie ist Opfer und führt einen heroischen Abwehrkampf. Das weckt Sympathien. Die Ukraine nutzt aber auch die Macht der Bilder geschickt. Die russische Propaganda wirkt dagegen hölzern und blutleer. Das hat wohl auch mit den Präsidenten beider Länder zu tun. So schrieb kürzlich ein Kommentator, ein pensionierter, bald 70-jähriger Geheimdienstagent aus Moskau verliere den Informationskrieg gegen einen 44-jährigen Komiker mit Smartphone.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 02.03.2022, 18:00 Uhr ; 

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