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Institute for the Study of War Die Erbsenzähler des Krieges

Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit. Einen Namen geschaffen für verlässliche Informationen hat sich in den beiden aktuellen Konflikten das Institute for the Study of War. Nachrichtenagenturen, SRF und internationale Medien stützen sich auf dessen Einschätzungen.

Der Sitz des Institute for the Study of War (ISW) befindet sich unweit des Dupont Circle in Washington. In diesem schicken Viertel haben einflussreiche Denkfabriken und Lobbyorganisationen ihr Domizil.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Das Institut ist noch jung, es wurde erst 2007 gegründet. «Mit dem Ziel, eine Brücke zu schlagen zwischen Militär und Zivilgesellschaft», erläutert George Barros: «Wir wollen militärische Informationen für die Medien und damit die Öffentlichkeit nutzbar und verständlich machen.» In gewisser Weise arbeite man jedoch wie ein Geheimdienst. Mit einem wesentlichen Unterschied: «Wir nutzen ausschliesslich frei zugängliche Quellen.»

Das ist eine regelrechte Informationsexplosion.
Autor: George Barros Leiter Recherche-Team beim Institute for the Study of War

Deren Zahl wuchs in jüngster Zeit gigantisch. Jedermann könne sich heute hochwertige Bilder von kommerziellen Satelliten beschaffen, Infrarot-Wärmebilder oder Standortdaten von Handynutzern, wie sie Firmen für Marketingzwecke auswerten. Ausserdem stellen Staaten, Regionen, Gemeinden Unmengen an offiziellen Verlautbarungen ins Netz. Individuen, darunter Soldaten, publizieren massenhaft Informationen in sozialen Medien, die wertvolle Rückschlüsse erlauben. «Eine regelrechte Informationsexplosion», nennt das George Barros: «All das werten wir aus.»

Backsteingebäude hinter üppigen grünen Bäumen und Sträuchern.
Legende: Das ISW hat seinen Sitz in Washington. SRF/Fredy Gsteiger

Barros ist, wie viele beim Institute for the Study of War, noch keine dreissig Jahre alt. Er leitet das Ukraine-Rechercheteam, spricht Russisch, hat ukrainische Vorfahren und Verwandte im Land.

Meistzitierte Denkfabrik

Erhebungen sehen das Institute for the Study of War seit geraumer Zeit als die international meistzitierte Denkfabrik. BBC, Reuters, AP, Guardian, Washington Post, CNN, New York Times nutzen regelmässig Daten und Grafiken des Instituts. Auch SRF gehört dazu. Staats- und Regierungschefs lassen sich mit Informationen der Washingtoner Rechercheure aufdatieren.

Deren Qualität gilt als hoch. Dies, obschon das Institut eine politische Agenda hat. Es steht den sogenannten Neokonservativen nahe, also jenen Vor-Trump-Republikanern, zu denen Ronald Reagan gehörte oder die beiden Präsidenten Bush. «Neocons» stehen hinter einer US-Führungsrolle in der Welt. Gleich mehrere Ex-Generäle sitzen im Aufsichtsrat des Instituts.

Unter dem Strich: Die Analysten haben oft recht

Finanziert werde das Institut von privaten Gönnern, sagt George Barros. Zu den Geldgebern gehören auch Rüstungs- oder Sicherheitskonzerne wie Northrop Grumman, Raytheon oder Dyncorp. Auch das zeigt: Das Institute for the Study of War ist nicht neutral.

Mann im Anzug steht vor einem Regal im Büro des Institute for the Study of War.
Legende: George Barros leitet das Recherche-Team zum Ukraine-Krieg am Istitute for the Study of War in Washington. SRF/Fredy Gsteiger

Doch die täglichen Berichte des Instituts zum Ukraine- oder zum Gazakrieg sind faktenbasiert und nüchtern gehalten. Stolz ist man etwa darauf, die beteiligten Einheiten und die Drahtzieher des russischen Massakers im ukrainischen Butscha identifiziert zu haben. Fehler räumt Barros ebenfalls ein. «Unmittelbar vor dem russischen Überfall 2022 haben wir die Fähigkeiten und die Stationierung von Moskaus Streitkräften als völlig unzureichend beurteilt – und daraus den Fehlschluss gezogen, Putin greife nicht an», so Barros. Der Kreml hat die Invasion dann doch gewagt. Allerdings mit zunächst kläglichem Ergebnis.

Unter dem Strich jedoch behielten die Washingtoner Kriegsanalysten sehr oft recht.

Echo der Zeit, 27.8.2024, 18:00 Uhr;kobt

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