Darum geht es: Israel hat als erster Staat die von Somalia abtrünnige Region Somaliland mit der Hauptstadt Hargeysa als unabhängiges Land anerkannt und damit internationale Kritik ausgelöst. Im UNO-Sicherheitsrat, der sich am Montagabend zu einer Dringlichkeitssitzung traf, verteidigten die USA das Vorgehen Israels. Somalia sprach von einem Angriff auf seine territoriale Integrität. Die muslimische Region Somaliland mit ungefähr sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist seit über drei Jahrzehnten praktisch unabhängig von Somalia. Es liegt in der Nähe des Jemen, von wo aus Rebellengruppen Israel und internationale Handelsschiffe im Golf von Aden angreifen. Diesbezüglich könnte Somaliland nun an der geopolitisch wichtigen Passage auch Sicherheit anbieten, etwa in Form von Militärbasen.
Das Konfliktpotenzial: Für Somaliland und seine Regierung in Hargeysa sei die politische Anerkennung durch Israel zumindest ein erster Schritt, die seit 1991 angestrebte Unabhängigkeit zu erreichen, sagt Markus Höhne, der als Ethnologe an der Universität Göttingen zur Region forscht. Die in mehrere grosse Clans unterteilte Bevölkerung Somalilands sei allerdings gespalten: So unterstützt die grosse Gruppe der Isaaq rund um die Hauptstadt Hargeysa die Unabhängigkeit. Ein Drittel der Bevölkerung ist allerdings dagegen. Diese im äussersten Westen im Grenzgebiet zu Dschibuti und im äussersten Osten lebenden Gruppen fühlen sich weiterhin Somalia zugehörig. In einem Krieg im Jahr 2023 siegten ihre Clan-Milizen gegen die somaliländische Armee und erklärten sich für unabhängig von der Regierung in Hargeysa. Die jetzige Anerkennung durch Israel werde sicher für weitere Spannungen zwischen den Unionisten und den Separatisten in Hargeysa sorgen, prognostiziert Höhne.
Der Widerspruch: Einen gewissen Widerspruch ortet der Forscher auch im Umstand, dass die allermeisten Somali inklusive der Menschen in Somaliland eigentlich pro Palästina sind und die Militäraktionen der israelischen Regierung im Gazastreifen in den letzten Jahren extrem kritisch mitverfolgt haben. Die jetzige Anerkennung durch Israel sei aber für Somaliland wohl aus machtpolitischen Gründen günstig. Im Streben nach internationaler Anerkennung sei eine Anerkennung – von welcher Seite auch immer – erwünscht. Diese sei aber etwa vom Nachbarland Äthiopien ausgeblieben, und die USA hätten vorerst zurückhaltend reagiert.
Die breite Kritik: Dass bald auch weitere Staaten Somaliland politisch anerkennen, hält Experte Höhne für eher unwahrscheinlich. Er verweist auf die geballte und umgehend eingegangene Kritik relevanter Stimmen, vor allem jener der Afrikanischen Union. Aber auch die Regionalorganisation am Horn von Afrika mit Dschibuti, Äthiopien und natürlich Somalia selbst gehört dazu. Dazu kommen wichtige arabische Staaten wie Saudi-Arabien. Ein Dominoeffekt sei also nicht erfolgt, und es sei gut möglich, dass die Anerkennung durch Israel versande, schätzt Höhne.