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Italien verschärft Massnahmen Journalistin: «Man hat die Bilder aus Bergamo nicht vergessen»

In Italien sind Nachtclubs und Stranddiscos wieder geschlossen. Für Ansammlungen von Menschen gilt ab 18 Uhr abends und sechs Uhr morgens eine Maskenpflicht. Wie die Leute mit den wieder verschärften Corona-Regeln umgehen, berichtet die in Florenz wohnhafte Journalistin Christiane Büld.

Christiane Büld Campetti

Journalistin in Florenz

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Büld arbeitet als Journalistin für die ARD und verschiedene Printmedien. Sie schreibt auch Bücher über ihre Wahlheimat Mittelitalien.

SRF News: Warum schliesst Italien die Diskotheken wieder?

Christiane Büld Campetti: Die italienische Regierung greift wieder härter durch, weil in Italien wie in ganz Europa die Zahl der Corona-Neuinfizierten wieder gestiegen ist. Es handelt sich dabei vor allem um junge Leute zwischen 20 und 40 Jahren. Verboten ist übrigens bisher nur das Tanzen im öffentlichen Raum, also in Diskotheken, an Stränden oder auf Plätzen. Bars und Restaurants dürfen weiterhin besucht werden, vorausgesetzt, es werden die Abstandsregeln und die Maskenpflicht eingehalten.

Die Regierung will nichts unversucht lassen, damit der strenge Lockdown nicht für die Katz war.

Sind diese Massnahmen aus Ihrer Sicht abgewogen und gerechtfertigt?

Natürlich kann man das übertrieben finden. Denn im Vergleich zu Frankreich, Spanien oder Deutschland ist die Anzahl der Neuinfektionen keineswegs besorgniserregend. Am Montag wurden in Italien nur 320 Fälle registriert. Doch die meisten Italiener akzeptieren die Massnahmen der Regierung, die nichts unversucht lassen will, damit der strenge Lockdown nicht für die Katz war. Hier hat man die schrecklichen Bilder aus Bergamo noch nicht vergessen.

Das heisst, die Italienerinnen und Italiener halten sich wieder an die verschärften Richtlinien der Regierung?

Im Grossen und Ganzen haben sich die Italiener während der vergangenen Monate unglaublich diszipliniert verhalten, obwohl man meistens meint, sie täten alles, um die Regeln zu umgehen. Die meisten sahen es nicht als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit, sondern als Notwendigkeit, um die Allgemeinheit zu schützen. Bis heute gibt es hier viel weniger Wutbürger oder Verschwörungstheoretiker als anderswo.

Zielen die neuen Massnahmen vor allem auf die jungen Leute?

Ja, und zwar aus gutem Grund. In Italien sind seit März sämtliche Schulen und Universitäten geschlossen. Natürlich wurde online unterrichtet, allerdings ist dabei das Prinzip der Chancengleichheit auf der Strecke geblieben, schliesslich haben nicht alle einen Computer zu Hause oder ein eigenes Zimmer, um in Ruhe lernen zu können.

Das hat der Regierung viel Kritik eingebracht. Für sie hat nun absolute Priorität, dass die Schulen Mitte September wieder geöffnet werden. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass man alles unterbindet, was zu einem Neuanstieg führen kann.

Die Tourismusbranche ist angeschlagen. Die neuen Massnahmen haben auch darauf wieder Auswirkungen. Wie reagiert die Politik darauf?

Für den Tourismus ist Corona eine Katastrophe. Zusammen mit der Kultur erwirtschaftet er zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Um der Branche unter die Arme zu greifen, hat die Regierung Anfang August ein Hilfspaket von drei Milliarden verabschiedet. Zu den Massnahmen gehören Steuererleichterungen, Verlängerung bis Kurzarbeitergeld bis Ende des Jahres und anderes.

Die Ferienwohnungen am Strand oder in den Bergern sind in der Hauptsaision ausgebucht.

Weil allerdings man in Italien allerdings weiss, dass es lange dauern kann, bis solche Massnahmen umgesetzt werden, haben sich viele Italiener dazu entschlossen, während der Ferien im Land zu bleiben.

Die Hotels und Ferienwohnung an den Küsten, in den Bergen oder in vielen Dörfern im Hinterland sind jedenfalls zur Hauptferienzeit vollkommen ausgebucht.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

SRF 4 News, 18.08.2020, 07:20 Uhr ; 

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