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Japan erhöht den Leitzins Das Ende eines einzigartigen geldpolitischen Experiments

Die japanische Zentralbank hat ein Ende der Negativzinspolitik beschlossen. Ein historischer Schritt der Währungshüter.

Japans Notenbank hat lange die weltweit expansivste Geldpolitik gemacht. Nun erhöht sie erstmals seit 17 Jahren wieder die Zinsen. Der acht Jahre alte Negativzins endet. Japan kehrt zu einem Leitzins von 0.0 bis 0.1 Prozent zurück. Damit ist die Bank von Japan die letzte der grossen Zentralbanken der Welt, die sich von der Politik negativer Leitzinsen verabschiedet.

Deflationäre Mentalität tief verankert

Kein Land musste jemals solche Vermögensverluste erleiden wie Japan nach dem Kollaps der sogenannten Blasenwirtschaft der 1980er-Jahre. Die Folge waren Jahrzehnte mit stagnierenden und leicht fallenden Löhnen und Preisen, eine Nullzinspolitik der Notenbank und die höchste Staatsschuldenquote der Welt.

Passanten in Tokio
Legende: Lange litt die japanische Wirtschaft an sinkenden Preisen für Waren und Dienstleistungen. Schon vor Jahren führte die japanische Notenbank deshalb negative Zinsen ein. Doch damit ist jetzt Schluss: Denn jüngst waren die Löhne so stark gestiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Keystone/EPA/KIMIMASA MAYAMA

Diese Krise wollte Premier Shinzo Abe zusammen mit der Notenbank mithilfe einer ultra-expansiven Geldpolitik ab 2013 überwinden. Tatsächlich stiegen Aktien und Immobilienpreise bald wieder, aber die deflationäre Mentalität sass zu tief bei Verbrauchern und Managern. Sie sparten lieber, als zu konsumieren und zu investieren. Erst die globalen Preissprünge durch das Auslaufen der Pandemie und den Krieg in der Ukraine setzten die Spirale aus steigenden Preisen und Löhnen in Japan wieder in Gang.

Japan wird ein Sonderfall bleiben

In diesem Frühjahr dürfen sich viele Japanerinnen und Japaner erstmals seit sehr langer Zeit über einen realen Lohnzuwachs freuen. Diese Entwicklung lieferte der Notenbank heute das stärkste Argument für den Verzicht auf ihre radikalen monetären Instrumente. Man könne nun wieder eine Geldpolitik wie jede andere Notenbank machen, erklärte der Gouverneur der Bank von Japan, Kazuo Ueda.

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Japan wird ein Sonderfall bleiben. Weitere Zinsschritte sind tabu. Denn mit der bereits nachlassenden Inflationsdynamik droht die Furcht vor der Deflation schnell wieder zurückzukehren. Die Käufe von Staatsanleihen sollen daher im bisherigen Umfang weitergehen, bis das Inflationsziel von zwei Prozent stabil erreicht ist. Ohne neuerliche externe Schocks wird der Nullzins in Japan daher erst einmal der Normalzustand bleiben.

Stunde der Wahrheit steht noch bevor

Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung und die chronische Wachstumsschwäche der Wirtschaft hängen eng zusammen. Der Staat braucht das billige Geld, um die wachsenden Gesundheits- und Rentenkosten teilweise auf Pump zu finanzieren.

Notenbankchef Kazuo Ueda.
Legende: Das Ziel, eine stabile Inflation von zwei Prozent zu erreichen, sei in Sicht, verkündeten die Währungshüter um ihren Chef Kazuo Ueda. Keystone/EPA/ FRANCK ROBICHON

Die Stunde der Wahrheit für Japan wird aber schlagen, wenn der Staat mehr Auslandskapital zu seiner Finanzierung braucht. Die Investoren aus dem Ausland werden sich nicht mit den heutigen Niedrigrenditen begnügen. Dann müssen die Zinsen eben doch noch steigen.

Echo der Zeit, 19.03.2024, 18 Uhr;kobt

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