Internationale Medien nennen sie die «chinesische Greta», seit sich Howey Ou aus Sorge ums Klima mit selbstbeschrifteten Kartons vor das Regierungsgebäude ihrer Heimatstadt Guilin stellte. Die 16-Jährige wollte es der Friday-for-Future-Bewegung aus Europa gleichtun.
Das bescherte ihr zwar viele Follower auf Twitter und internationale Aufmerksamkeit. In China jedoch blieb das Interesse gering, Howey Ou ist mit ihrem Protest meist alleine geblieben.
Gefängnisstrafe für Klima-Aktivismus
Zwei Jahre später sitzt Howey Ou am Fuss des Gerechtigkeitsbrunnens in Lausanne, sie ist im Hungerstreik. Hergekommen durch einen befreundeten Schweizer Aktivisten, den sie aus dem Internet kennt, hat sie sich hier an verschiedenen Umwelt-Aktionen beteiligt und sich gleich auch mit der Schweizer Justiz angelegt.
So hat sie sich den Besetzerinnen und Besetzern der «Zone à défendre» auf dem Waadtländer Mormont-Hügel angeschlossen, als dieser von der Polizei geräumt werden sollte. Damit protestierte sie gegen den Steinbruch des Beton-Riesen Holcim und dessen CO2-Ausstoss.
Für ihren Widerstand bei der Räumung wurde sie, wie viele andere, von der Waadtländer Staatsanwaltschaft zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Dagegen protestiert sie mit einem zehntägigen Hungerstreik. Alleine, mitten in Lausanne.
Howey Ou will ganz genau wissen, was die Reporterin mit ihrem Interview machen will, überlegt lange, bevor sie auf Englisch antwortet und achtet dabei stets darauf, ihre Message herüberzubringen. «Es kann nicht sein, dass Leute ins Gefängnis sollen, die wie ich das Klima verteidigen, während Grosskonzerne wie Holcim weiterhin Unsummen von Geld machen können», sagt sie.
Wir müssen das toxische System offen herausfordern. Es ist der einzige Weg, wie die Öffentlichkeit die strukturelle Gewalt sehen kann.
Schweizer shoppen trotz Klimawandel weiter
Deshalb geht sie auch in der Schweiz auf Konfrontation mit dem System, das aus ihrer Sicht den Klimawandel zulässt. Ihre Festnahme am Mormont-Hügel hat sie ganz bewusst in Kauf genommen. «Weil wir das toxische System offen herausfordern müssen. Es ist der einzige Weg, wie die Öffentlichkeit die strukturelle Gewalt sehen kann», zeigt sie sich überzeugt.
Aufklären und aufrütteln will sie. Sie sucht in der Lausanner Innenstadt das Gespräch mit Passantinnen und Passanten. Die meisten reagieren verständnisvoll und wohlwollend auf ihre Aktion. Doch Howey Ou reicht das nicht. «Viele sagen, es sei super, was ich mache. Aber sie realisieren den Notstand nicht, in dem wir uns befinden», sagt sie.
«Ich sehe die Leute mit ihren grossen Einkaufstaschen und luxuriösen Kleidern. Ich weiss, was die Konsequenz dieses Lebensstils ist, weil es in Guilin, wo ich herkomme, schon zu riesigen Überschwemmungen gekommen ist. Und es wird immer schlimmer.» Für Howey Ou ist die ganze Menschheit wegen des Klima-Notstands in Gefahr.
Hungerstreik geht weiter
In Europa will Howey Ou verstehen, wie sich die Umwelt-Bewegungen hier organisieren. Umgekehrt ist sie für viele Lausanner Aktivistinnen und Aktivisten eine Inspiration. Trotzdem ist sie nicht zufrieden. Sie will mehr erreichen. Am heutigen Klimastreiktag will sie ihren Hungerstreik fortführen, aber dieses Mal zusammen mit anderen Klima-Jugendlichen. Nicht mehr alleine.