Die Corona-Pandemie gemeinsam bekämpfen. So definiert der britische Premierminister und Gastgeber Boris Johnson eines der Hauptziele des G7-Gipfels.
Sein Land und die übrigen Teilnehmerstaaten hätten erkannt: «Es geht nun darum, nicht nur die eigene Bevölkerung zu impfen, sondern die ganze Welt.» US-Präsident Joe Biden verspricht, 500 Millionen Impfdosen an beinahe hundert arme Länder abzugeben.
Die anderen sechs G7-Länder steuern weitere 500 Millionen Dosen bei. Das sei, so Biden, «ein historischer Schritt». Ein Schritt, der auch dazu dient, China und Russland, die viel rascher als der Westen Impfstoffe abgaben, etwas entgegenzuhalten. Es geht also auch um strategische Rivalität.
Streitpunkt Patentschutz
Die «Erklärung von Carbis Bay» spricht aber nicht nur von Gratis-Impfdosen. Es geht ebenso um die Stärkung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Und bei künftigen Pandemien sollen binnen maximal hundert Tagen weltweit Impfstoffe und Tests zur Verfügung stehen. Das bedingt: mehr Forschung, schnellere Herstellung und schnellere Zulassung. Zudem eine Produktion in zahlreichen Ländern.
Erleichtert würde dies, wenn der Patentschutz für Impfstoffe ausgesetzt würde. Doch da sind sich die G7-Staaten uneinig: Die USA und Frankreich befürworten es. Präsident Emmanuel Macron verlangt, «das Recht am geistigen Eigentum darf nie mehr den Zugang aller Menschen zu einem Impfstoff behindern». Deutschland, Grossbritannien – aber auch Länder wie die Schweiz – sehen das anders. Für UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sind Impfstoffe hingegen ein «öffentliches Gut».
Klingt grosszügig, ist aber zu wenig
Guterres begrüsst zwar die Impfstoffspenden der G7, macht aber klar: Ihr Angebot, so grosszügig es klinge, «reicht einfach nicht». Die Rechnung ist rasch gemacht: Mit der Milliarde Impfdosen, welche die G7 nun in Aussicht stellen, lassen sich 500 Millionen Menschen in der Dritten Welt impfen. Die Weltbevölkerung zählt aber acht Milliarden. Die grosse Mehrheit ist noch nicht geimpft. Viele Länder haben damit noch nicht einmal begonnen. Derweil haben die USA oder Grossbritannien, aber auch die Schweiz zu viele Impfdosen bestellt und horten sie vorläufig.
Die Kritik an der zu zögerlichen Corona-Politik der G7 kommt diesmal nicht nur von Entwicklungsorganisationen wie Oxfam. Deren Vertreter Max Lawson bemängelt, dass viele Länder die Patentrechte der Pharmaindustrie höher gewichteten als das rasche, umfassende Impfen, und zwar überall. Auch Wirtschaftskreise erheben Vorwürfe. Das britische Magazin «Economist» schreibt gar: «Die USA und ihre Alliierten versagen gegenüber der Welt – politisch, moralisch und wirtschaftlich».
Fünfzig Milliarden gefordert
Es müsse noch viel mehr Geld fliessen, nämlich mindestens fünfzig Milliarden Dollar. Für ein besseres Gesundheitswesen, Impfstoffherstellung und Vorbeugung. «Gelänge es, die jetzige Pandemie rasch und rund um den Globus zu besiegen, liesse sich ein geschätzter ökonomischer Schaden von neun Billionen abwenden», sagt John Denton, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer. Ganz abgesehen von der Rettung von Leben.
Will heissen: Beim Kampf gegen Corona, den der UNO-Generalsekretär als «Krieg» bezeichnet, könne man gar nicht grosszügig genug sein. Es lohne sich immer. Gemessen daran hätten die G7 ruhig noch deutlich weiter gehen können. Und weiter gehen müssen.