Der Eingang zum «Fluffy Club» liegt zwischen den historischen Häusern am berühmten Bund in Shanghai, im Untergeschoss B1. Am Eingang liegen kostenlose Windeln. Hier gibt es einen Supermarkt, einen Coiffeur, ein Restaurant und alle möglichen Gadgets zu kaufen. Nicht für Menschen, sondern für Hunde und für Katzen.
Zoey Qian, 22, arbeitet in der Finanzindustrie und ist mit ihrer Katze und ihrem Freund da. Sie treffen hier ein anderes Paar – mit ihrem Hund. Zu viert trinken sie Tee, der Hund im Kinderwagen, die Katze auf dem Schoss. «Hier können wir zusammen ausgehen», sagt sie. «Es wäre traurig, unsere haarigen Kinder zu Hause zu lassen.»
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Bild 1 von 6. Haarige Kinder ist das Wort im Zentrum eines Phänomens in China. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 2 von 6. Seit der Pandemie ist es trendy ein Haustier zu halten. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 3 von 6. Der gesamte Markt für Haustiere hat ein Volumen von über 30 Milliarden Franken. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 4 von 6. Der Haustiermarkt boomt und die Angebotspalette wird breiter. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 5 von 6. Im «Fluffy Club» in Shanghai gibt es spezielle Angebote für die Haustiere. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 6 von 6. Beim Eingang zur Mall liegen kostenlose Windeln auf und das Schild weist darauf hin, dass Haustiere hier willkommen sind. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
Haarige Kinder, auf Chinesisch 毛孩子, ist das «Wort» im Zentrum des Phänomens. Seit der Pandemie ist es für junge Erwachsene zwischen 25 und 40 sehr trendy, ein Haustier zu halten. In China sind es heute wohl über 120 Millionen Tiere. Das sind mehr haarige Kinder als Kinder unter vier Jahren.
«Ein Kind zu haben ist riskant, weil man den Charakter ja nicht aussuchen kann», sagt Qian. Ihre Generation bevorzuge Haustiere, weil sie so eine Wahl haben. Die Haustierindustrie in China boomt, während der Rest der Wirtschaft schwächelt. Der Markt mit Katzenprodukten wächst jährlich um zehn Prozent. Der gesamte Markt für Haustiere hat ein Volumen von über 30 Milliarden Franken.
Das zeigt sich an der Pet Fair Asia, der grössten Haustiermesse in Asien: Sie empfängt dieses Jahr in 17 Hallen über eine halbe Million Besucherinnen und Besucher. Zwei Drittel sind Frauen. Die meisten bringen für die Schnäppchenjagd gleich einen Rollkoffer mit.
Wu Chenghui, 29, ist mit ihrem Hund Bobby auf der Messe. «Ich habe mit meinem Mann darüber gesprochen und wir wollen keine Kinder», sagt sie. Ein Kind sei viel teurer als ein Haustier. Ausserdem sei ein Hund loyal und streite nie.
Bis 2030 doppelt so viele Haustiere wie Kleinkinder
Mittendrin präsentiert sich die chinesische Firma Nourse wie eine topmoderne Drogerie. Sie verkauft Nahrungsergänzungsmittel für Haustiere. Marketingchefin Chen Ying, 31, erklärt, wie die Firma immer häufiger die «heilenden» Eigenschaften der Haustiere unterstreicht: ein Gegengift, quasi, zum toxischen Arbeitsleben.
Chen hält selbst eine Rassekatze, Britisch Kurzhaar, mit blauen Augen. «Es war sofort eine Verbindung da und es hat sich angefühlt, als ob das Schicksal sie für mich ausgewählt hat», sagt sie. Sie erhalte das firmeneigene Katzenfutter mit Probiotika aus Därmen von langlebigen Katzen.
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Bild 1 von 4. Eine halbe Million Besucherinnen und Besucher empfängt die Pet Fair Asia in diesem Jahr. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 2 von 4. Bis 2030 sollen in China doppelt so viele Haustiere wie Kleinkinder leben. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 3 von 4. In 17 Hallen gibt es alles, was sich die Haustierbesitzerinnen und Haustierbesitzer brauchen. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
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Bild 4 von 4. In der Öffentlichkeit gehören in wohlhabenden Städten kleine Hunde in Kinderwagen bereits zum Strassenbild. Bildquelle: SRF/Lukas Messmer.
Industrieexperten sind sich einig: Das Phänomen der «haarigen Kinder» hat erst begonnen. In der Öffentlichkeit von wohlhabenden Städten wie Shanghai gehören kleine Hunde in Kinderwagen bereits zum Strassenbild. Bis 2030 sollen in China doppelt so viele Haustiere wie Kleinkinder leben.
Gleichzeitig versucht die chinesische Regierung, das Kinderkriegen wieder attraktiver zu machen. Seit August erhalten Eltern pro Kind jährlich rund 400 Franken als Unterstützung. So etwas hat es in China noch nie gegeben. Doch es dürfte nicht reichen, um den Trend umzukehren.