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Klimakonferenz in Ägypten Wie prägt ein Gastgeberland eine Klimakonferenz, Herr Perrez?

Der Verlauf einer Konferenz hängt immer auch mit dem Austragungsort zusammen. Ägypten wurde für seine Art der Organisation der Klimakonferenz von verschiedenen Seiten kritisiert. Auch von Franz Perrez, dem Leiter der Schweizer Delegation in Sharm El-Sheik. Er nennt beispielsweise die Prioritätensetzung bei der Vorbereitung.

Franz Perrez

Umweltbotschafter der Schweiz

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Seit 2010 vertritt Perrez die internationale Umweltpolitik der Schweiz gegen aussen und leitet die Schweizer Delegationen in internationalen Umweltverhandlungen. In dieser Funktion leitet er insbesondere auch die Schweizer Delegation in den Klimaverhandlungen und vertritt die Schweiz an Treffen auf hohem Niveau.

SRF News: Wie prägt ein Gastgeberland eine Klimakonferenz konkret?

Franz Perrez: Ein Gastgeberland prägt eine Klimakonferenz auf mehreren Ebenen. Einmal offensichtlich durch das Bereitstellen der Infrastruktur. Eine gute Infrastruktur hilft auch immer für eine gute Konferenz. Zweitens kann ein Gastgeberland eine Konferenz auch sehr stark durch den Vorbereitungsprozess prägen. Dadurch, dass es Prioritäten in den Vorbereitungen setzt und Schwerpunkte setzt, wo in den Vorbereitungen mehr gearbeitet wird.

Ein Gastgeberland prägt eine Klimakonferenz auf mehreren Ebenen.

Drittens kann eine Präsidentschaft eine Klimakonferenz auch sehr stark dadurch beeinflussen, weil sie am Schluss die Feder in der Hand hat. Sie schreibt am Schluss die Texte in den Bereichen, wo die Länder keine Einigung erzielen können.

In welchem dieser Bereiche muss sich Ägypten bei der Organisation Kritik gefallen lassen?

Aus unserer Sicht, und es ist ja auch eine parteiische Sicht, hat Ägypten in der Vorbereitung der Konferenz die Prioritäten anders gesetzt, als wir es erwartet hatten. Die ägyptische Präsidentschaft hat in der Vorbereitung die Prioritäten nicht auf Mitigation, Emissionsminderung gelegt, sondern auf die Bereiche Schäden und Verluste durch Klimawandel, Anpassung und Finanzierung. Dadurch sind die Erwartungen einseitig gestiegen. Und die Vorbereitungen sind auch viel weitergekommen in diesen anderen Themen und nicht im Bereich der Emissionsminderung.

Beschlüsse in Glasgow 2021

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Frau geht vor einer Wand mti der Beschriftung «All in for 1.5° Celsius, are you?»
Legende: Reuters/Yves Herman

«In Glasgow wurde beschlossen, dass dieses Jahr ein Arbeitsprogramm betreffend Emissionsminderung beschlossen werden soll. Nächstes Jahr stehen Beschlüsse bezüglich Anpassung an. Und übernächstes Jahr sollte ein umfassendes Massnahmenpaket beschlossen werden, wie mit Schäden umgegangen werden soll, die durch den Klimawandel verursacht worden sind», sagt Perrez. Dennoch hat Ägypten seine Prioritäten anders gesetzt.

Warum hat Ägypten diese Schwerpunkte anders gesetzt?

Ägypten hat argumentiert, weil das eine afrikanische COP sei, würden die Schwerpunkte bei Anpassung, Verlusten und Schäden durch den Klimawandel und Finanzierung liegen. Das ist eine sehr einseitige Interpretation der Interessen des afrikanischen Kontinents. Gerade die ärmsten Länder Afrikas haben ein sehr existenzielles Interesse daran, dass die globale Klimaerwärmung nicht über 1.5 Grad steigt. 

Schiff fährt an einer Ölplattform auf dem Meer vorbei.
Legende: Die ägyptische Wirtschaft ist stark von der Förderung von Erdöl abhängig. «Es ist nachvollziehbar, dass eine Präsidentschaft eine solche Konferenz immer auch nutzt, um Eigeninteressen zu verfolgen. Die Durchführung einer Klimakonferenz ist ein riesiger Aufwand», sagt Franz Perrez. Reuters/Amr Abdallah Dalsh

Als es darum ging, die Schlusserklärung zu unterzeichnen, hat Ägypten ein bisschen auf Verzögerung gespielt. Wie lief das genau ab?

Am Anfang versuchen die Vertragsparteien, sich auf die Schlusstexte zu einigen. Wenn das nicht möglich ist, greift die Präsidentschaft in der zweiten Phase ein und präsentiert dann Kompromissvorschläge. Ägypten hat diese Funktion ein bisschen anders wahrgenommen. Erstens haben sie sehr lange zugewartet, bis sie erste Textelemente geteilt haben. Zweitens gab es beinahe keine Zeit in der zweiten Woche, dass die Staaten untereinander nach Lösung gesucht hatten. Und es gab auch beinahe keine Zeit mehr, das Schlussdokument zu kommentieren. Es war eigentlich ein Text, den man entweder annehmen oder ablehnen musste.

Die Konferenz findet abwechslungsweise in verschiedenen Weltregionen statt. Die Länder können sich bewerben, dann wird abgestimmt. Wie politisch ist dieser Vergabeprozess?

Dieser Vergabeprozess ist ein sehr politischer Prozess innerhalb der Region, die die nächste Präsidentschaft stellt. Die afrikanische Region musste sich also auf Ägypten als Präsidentschaft einigen. Die asiatische Region musste sich darauf einigen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die nächste Präsidentschaft stellen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 21.11.2022, 18:00 Uhr ; 

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