Malerisch liegt es da, Fairbourne: Im Rücken grüne Hügel, vor ihm das Meer, auf Distanz gehalten von einer Kiesbank und einem Damm. Ein Ferienort für Familien sei Fairbourne, sagt Gemeinderätin Georgina Salt, ein wunderbares Dorf zum Leben.
Sie steht zusammen mit der Gemeinde-Angestellten Angela Thomas auf dem Schutzdamm, der Blick schweift über die einfachen Häuschen, die 1200 Menschen Obdach geben.
Schicksalsjahr 2014
Von hier oben ist schwer zu sagen, was höher liegt – das Meer vor dem Damm oder das Dorf dahinter. Doch das ist hier eine heikle Frage. «Selten steigt die Flut höher als das Dorf, aber das Dorf liegt auf Meereshöhe», sagt Salt. 2014 seien etwas Gischt und Kiesel über den Damm gelangt, ergänzt Thomas, aber noch nie sei Fairbourne überflutet worden.
2014 war ein Schicksalsjahr: Nach dem grossen Sturm im Januar kam im Februar ein Bericht von BBC Wales. Dieser machte zum ersten Mal bekannt, dass die Lokalregierung denke, Fairbourne könne in Zukunft nicht mehr gegen das Meer verteidigt werden. Schon 2025 müsse es aufgegeben werden.
Der Schock
«Über Nacht brachen die Hauspreise um 50 Prozent ein», erinnert sich Salt. Die Lage sei weiterhin desolat, obwohl der BBC-Bericht zu reisserisch gewesen sei. Nun sagen die Behörden, das Dorf müsse in etwa 30 Jahren aufgegeben werden.
Über Nacht brachen die Hauspreise um 50 Prozent ein. Die Lage ist weiterhin desolat.
Trotzdem: Junge Familien, die ein Haus kaufen wollen, bekommen nach wie vor kaum eine Hypothek. Und viele Rentner, die für den Lebensabend herzogen, stecken fest. Ihr Erspartes steckt im Haus, das nun viel weniger wert ist. Kompensationszahlungen werde es keine geben, sagt die Regierung.
In dieser Lage ist auch James Lapworth, der Rentner schneidet ein paar hundert Meter hinter dem Damm eine Hecke. Die Zukunft sei ungewiss, besonders für seinen kranken Sohn. Es gebe doch andere Küstendörfer, die stärker gefährdet seien. Wo wegen bröckelnder Küsten Häuser ins Meer gestürzt seien. So etwas kenne Fairbourne nicht. So sehen das alle hier: Warum ausgerechnet Fairbourne?
Die düstere Prognose: 2054
Behörden vors Mikrofon zu bekommen, ist nicht einfach. Mit Sian Williams klappt es dann. Sie leitet die Naturgefahren-Abwehr der Region: Ums Jahr 2054 werde es teurer, Fairbourne vor der Flut zu schützen, als die Häuser wert seien, sagt sie und verweist auf Berechnungen zum steigenden Meeresspiegel und zur Gefahr durch heftigere Stürme: «Dann kann sich Wales nicht mehr leisten, das tiefliegende Dorf gegen das Meer zu verteidigen.»
Es sei wichtig, frühzeitig mit den Bewohnern zu diskutieren, damit sie sich vorbereiten könnten, sagt Williams. Doch nach dem sensationalistischen BBC-Bericht vor der offiziellen Information sei die Lage verkorkst: «Wir arbeiten seither intensiv mit der Bevölkerung zusammen, um herauszufinden, wie wir die Zeit bis zur Aufgabe des Dorfs gestalten können.»
Wir arbeiten intensiv mit der Bevölkerung zusammen, um herauszufinden, wie wir die Zeit bis zur Aufgabe des Dorfs gestalten können.
Doch das bleibt schwierig. Viele Bewohner zweifeln die offiziellen Prognosen nach wie vor an. Einmal reiste ein Sozialarbeiter an, um die Menschen zu betreuen. Er führte sich damit ein, dass er Erfahrung mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten habe. «Die Reaktionen waren heftig», erinnert sich Gemeinderätin Salt. Flüchtling will hier keiner sein.
Aber die Behörden bleiben hart. Mittlerweile ist klar, dass weitere Küstendörfer das Schicksal von Fairbourne teilen werden, wie Williams sagt. Der Anstieg des Meeresspiegels sei ein Fakt und werde Grossbritannien noch heftige Kopfschmerzen bereiten.
Klingt wahr, ist aber nicht die Art von Trost, auf den die Bewohnerinnen und Bewohner von Fairbourne warten.