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Krieg im Donbass Neue Waffenruhe in der Ostukraine in Kraft

  • Im Kriegsgebiet in der Ostukraine ist eine neue Waffenruhe in Kraft getreten.
  • Die «völlige und allumfassende Feuereinstellung» galt nach Angaben des Präsidialbüros in Kiew offiziell von Montag, 00.01 Uhr, an (Sonntag, 23.01 Uhr MESZ).
  • Das ukrainische Militär und die Vertreter der prorussischen Separatisten aus den Gebieten von Donezk und Luhansk hatten mitgeteilt, alles für die Einstellung der Kämpfe vorbereitet zu haben.

Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski lobten bei einem Telefonat am Sonntag die Einigung auf eine neue Waffenruhe. Zugleich forderten sie mehr Anstrengungen in der Ukraine-Kontaktgruppe, die bisherigen Friedensvereinbarungen umzusetzen.

Waffenruhe durch Separatisten offenbar bereits verletzt

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Ein ukrainischer Soldat mit einem Maschinengewehr an der Front.
Legende: Reuters

Im Kriegsgebiet in der Ostukraine ist die neu vereinbarte Waffenruhe nach Militärangaben aus Kiew am Morgen von Seiten der prorussischen Separatisten bereits gebrochen worden. Stellungen der ukrainischen Regierungseinheiten seien bereits kurz nach Inkrafttreten der neuen Feuerpause mit schweren Maschinengewehren beschossen worden. Das teilte der Oberkommandierende der Regierungstruppen, Wladimir Krawtschenko, Journalisten mit.

Zudem sei an einem Frontabschnitt auch Mörserbeschuss seitens der Aufständischen festgestellt worden. Zuvor hatten Vertreter der Rebellen aus Luhansk und Donezk ein Einhalten der Waffenruhe durch die Armee bestätigt.

Krawtschenko sagte, dass niemand den Soldaten verbiete, im Fall einer lebensgefährlichen Situation das Feuer zu erwidern. Zudem setze die Armee weiter Drohnen zur Aufklärung entlang der Frontlinie ein. Gemäss den Vereinbarungen der vergangenen Woche zwischen den Konfliktparteien ist der Einsatz von Drohnen jedoch komplett verboten. Zudem sollte «Erwiderungsfeuer» nur nach einem Befehl von Seiten des Oberkommandos möglich sein.

Putin kritisierte nach Kremlangaben Versuche in der Ukraine, die 2015 in Minsk vereinbarten Schritte für einen Friedensplan in Teilen neu zu verhandeln. Beide Politiker teilten nun mit, sich zu dem Plan zu bekennen. Putin forderte demnach aber auch Taten statt Worte von seinem ukrainischen Kollegen.

Besserer Schutz für Zivilisten

Die Vertreterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine, Heidi Grau, sagte, dass es eine ganze Reihe an zusätzlichen Schritten gebe, um die Waffenruhe umzusetzen. Darunter seien ein Verbot des Einsatzes von Drohnen. Zudem dürften schwere Waffen nicht mehr in Ortschaften positioniert werden – besonders in der Nähe von Kindergärten, Schulen und Spitälern. So sollen die entlang der rund 450 Kilometer langen Frontlinie lebenden Zivilisten besser geschützt werden.

Karte Ukraine
Legende: SRF

Austausch von Gefangenen

Erwiderungsfeuer solle nur noch auf oberster Kommandoebene gestattet werden können. «Ich hoffe, dass die vereinbarten Massnahmen die lang erwartete Ruhe in der Konfliktzone und mehr Frieden für die Zivilbevölkerung bringen», sagte Grau vor Inkrafttreten der Vereinbarung. Die OSZE forderte demnach die Konfliktparteien auf, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Dazu gehöre auch der Austausch der letzten Gefangenen.

Kreislauf von Waffenruhe und Kämpfen

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Über die Jahre wurde im Ostukraine-Konflikt bereits mehr als 20 Mal ein Waffenstillstand geschlossen. Ohne Erfolg. «Das Hauptproblem ist, dass auf beiden Seiten das Vertrauen fehlt. Sie sind extrem misstrauisch», sagt der SRF-Korrespondent für die Ukraine David Nauer. Das zeigte sich auch kürzlich: Die Ukrainer wollten einen verletzten Soldaten bergen und einigten sich nach eigenen Angaben auf eine Feuerpause mit den Separatisten. Als die Sanitäter vorrückten, wurden sie beschossen. Einer der Sanitäter wurde tödlich getroffen. «Bei jeder Gelegenheit wird geschossen. Weil sich die Truppen an der Front sehr nahe stehen, kommt es so dauernd zu Gefechten», erklärt Nauer.

Die ab heute geltende neue Waffenruhe wurde am letzten Mittwoch vermeldet. Die Waffen sollen allumfassend schweigen – beide Seiten haben das bestätigt. Nauer glaubt aber nicht, dass die neuerliche Ankündigung einen Durchbruch im verfahrenen Konflikt bringt. «Ich habe mit zwei Leuten in Kiew gesprochen. Beide haben nur den Kopf geschüttelt und gesagt, es gebe keinen Grund zu glauben, dass diese Waffenruhe halten soll. Es gibt Hoffnung, aber kaum richtigen Glauben.»

Seit dem Frühjahr 2014 kämpfen ukrainische Regierungstruppen in der Region Donbass gegen die von Russland unterstützten Aufständischen. UNO-Schätzungen zufolge wurden seitdem mehr als 13'000 Menschen getötet. Ein 2015 mit deutsch-französischer Vermittlung in Minsk vereinbarter Friedensplan sieht nach einem Waffenstillstand Wahlen und eine schrittweise Reintegration der Region in die Ukraine vor. Rund zwei Dutzend Versuche einer vollständigen Waffenruhe waren bisher jeweils schon nach kurzer Zeit gescheitert.

SRF4 News, 27.07.2020, 00:30 Uhr ; 

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