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Krieg im Sudan Sudan: «Die Stadt El Fascher in Darfur ist die Hölle auf Erden»

Die Regierungstruppen haben in der sudanesischen Region Darfur ihre letzte Hochburg verloren: Die Stadt El Fascher mit 300'000 Einwohnern ist in die Hände der Rebellen der Rapid Support Forces gefallen. Der Sudan-Kenner Roman Deckert mit einer Einschätzung der Lage.

Roman Deckert

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Roman Deckert ist Experte für den Sudan. Er arbeitet für die Nichtregierungsorganisation «Media in Cooperation and Transition» in Genf.

SRF News: Wie stellt sich die aktuelle Lage dar?

Roman Deckert: Man muss davon ausgehen, dass El Fascher weitestgehend unter Kontrolle der RSF-Milizen ist. Es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte und der örtliche Gouverneur hat in einem Tweet vom Fall der Stadt gesprochen.

Millionen Menschen auf der Flucht

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Menschen in Flüchtlingslager in Darfur.
Legende: Reuters

Im Sudan herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert.

Während die Armee zwischenzeitlich die Hauptstadt Khartum zurückerobern konnte, haben die RSF ihre Kontrolle über Darfur an der Grenze zum Tschad verfestigt. Dem Land droht eine dauerhafte Spaltung.

Die UNO wertet die Lage im Sudan als derzeit grösste humanitäre Krise der Welt. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, leiden Hunger. (sda)

Welche Bedeutung hat die Eroberung dieser Grossstadt?

Es ist ein Durchbruch für die Miliz – nach über 500 Tagen der Belagerung. In Darfur gibt es jetzt nur noch einige kleinere Enklaven, die nicht von den Rebellen kontrolliert werden. Aber alle fünf Provinzhauptstädte sind in der Hand der RSF.

In El Fascher befinden sich nach UNO-Angaben hunderttausende Zivilisten, sie können nicht fliehen. Es gibt Berichte von Mord und Plünderungen. Warum geht die RSF-Miliz so brutal vor?

Man muss davon ausgehen, dass es buchstäblich die Hölle auf Erden ist. Es gibt derzeit wohl keinen schlimmeren Ort auf der Welt als El Fascher. Es gibt Berichte, Bilder und Videos aus der Stadt. Und man muss davon ausgehen, dass mittlerweile schon tausende Menschen getötet worden sind.

Es gibt einen tiefsitzenden, rassistischen Hass gegenüber Angehörigen anderer Ethnien.

Das Vorgehen der RSF ist einerseits damit zu erklären, dass die Rebellen von ihrer Führung wohl eine Art Carte Blanche bekommen haben zu plündern. Zudem gibt es einen tiefsitzenden, rassistischen Hass gegenüber Angehörigen anderer Ethnien.

Morde, Plünderungen, Zerstörung

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Bewaffnete Männer.
Legende: Keystone/Hussein Malla

Nach Angaben des sudanesischen Ärztenetzwerks hat die paramilitärische Gruppe RSF in der Nacht zum Montag Dutzende, unbewaffnete Zivilisten in El Fascher getötet. Die Paramilitärs hätten zudem Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen und Apotheken geplündert und zerstört. Dabei handelte es sich um die wenigen Teile der Gesundheitsinfrastruktur, die trotz des langwierigen Konflikts noch funktionstüchtig gewesen seien, hiess es. Das Ärztenetzwerk sprach von «abscheulichen Verbrechen, die einem Massenmord gleichkommen.» (sda)

Woher kommt dieser rassistische Hass?

Es ist eine Überlegenheitsideologie, die ihre Wurzeln aber in handfesten Verteilungskonflikten hat. In Darfur gibt es seit den 1970er-Jahren sehr starke Dürren. Dadurch sind die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen massiv geschrumpft. Zudem hat durch die Verschuldung des Sudan der Druck zugenommen, Vieh in die Golfstaaten zu exportieren, um Devisen zu erhalten – und moderne Waffen. Die Konflikte sind in den letzten 25 Jahren stetig eskaliert und es hat sich viel Hass aufgestaut.

Wieso kann eine paramilitärische Miliz die reguläre Armee des Landes schlagen?

Die reguläre Armee hat die Niederschlagung von Rebellionen in den letzten Jahren immer stärker outgesourct und Milizen überlassen – während sich die Armee darauf konzentrierte, mit den Petrodollars Business zu machen.

Der Anführer der RSF verfügte schliesslich über 100'000 Soldaten, mit denen er den Staat Sudan kapern wollte.

Hinzu kommt, dass auch der Anführer der Milizen sehr reich geworden ist: Einerseits durch Gold und andererseits, indem er seine Leute als Söldner verkauft hat. Sie kämpften etwa für die Golf-Monarchien im Jemen. Der Anführer baute sein Netzwerk immer weiter aus und verfügte schliesslich über 100'000 Soldaten, mit denen er den Staat Sudan kapern wollte.

Gibt es auch Vermittlungsversuche?

Bisher sind alle Bemühungen gescheitert, die beiden Kriegsparteien im Sudan zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Es gab etwa Gespräche in Genf letztes Jahr, durch die der humanitäre Zugang etwas verbessert wurde. In den letzten Tagen fanden nun hochrangige Treffen in den USA statt zwischen den Hauptunterstützern der beiden Seiten – Ägypten und Saudi-Arabien (sie unterstützen die Armee) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (Unterstützer der RSF). Aber es ist sehr fraglich, dass es dort zu einem nachhaltigen Frieden kommt. Die bisher in Washington unterzeichneten Erklärungen jedenfalls sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Echo der Zeit, 27.10.2025, 18:00 Uhr ; 

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