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Krieg im Südlibanon Rückkehr in die Ruinen von Libanons unsicherem Süden

Ein Jahr nach der Waffenruhe kehren Familien in den zerstörten Süden des Libanon zurück. Ein brüchiger Frieden an einer explosiven Grenze.

Unter der Regenplane eines improvisierten Kiosks im Küstendorf Naqoura sitzt eine Gruppe Männer. Sie trinken Kaffee, rauchen und reden über den Wiederaufbau ihrer Häuser; die Aufgabe scheint unmöglich. Das Dorf liegt nur fünf Kilometer von der israelischen Grenze entfernt. Die Männer gehören zu den rund 160 Familien, die seit dem Ende der Kämpfe hierher zurückgekehrt sind.

Wir leben hier auf eigenes Risiko.
Autor: Zaim Dorfbewohner

«Das war das Haus meiner Cousine», sagt Zaim, einer der Männer. Israelische Bulldozer haben es eingerissen. Auch Zaims eigenes Haus ist unbewohnbar, trotzdem ist er vor vier Monaten mit seiner Familie zurückgekehrt. Das Leben in einer Mietwohnung in Beirut wurde zu teuer.

Halb zerstörtes Gebäude mit Wäsche auf einer Leine.
Legende: Das verbliebene Haus von Zaim, in dem ein zerstörtes Zimmer nur noch zum Trocknen der Wäsche benutzt werden kann. SRF / Thomas Gutersohn

«Wir leben hier auf eigenes Risiko, das Haus kann jederzeit einstürzen.» Mit Holzplatten und Plastikplanen hat er ein einziges Zimmer notdürftig abgedichtet, in dem nun die ganze Familie lebt. «Im Winter ist es extrem kalt und es regnet überall rein. Alles ist feucht.»

Rückkehr in die zerstörte Heimat

In Naqoura sei kein Haus verschont geblieben, erzählt Zaim. Er ist überzeugt, die Zerstörung sei mutwillig gewesen, um eine Rückkehr zu verhindern. Die wirtschaftliche Grundlage der Region liegt in Trümmern. Vielerorts wurde Bauschutt auf Äcker gekippt, Olivenhaine wurden plattgewalzt und so unbrauchbar gemacht.

Die Lebensgrundlage vieler Familien ist damit vernichtet. Diese Zerstörung von ziviler Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen stellt einen Verstoss gegen die UNO-Resolution dar, die einen früheren Waffenstillstand aus dem Jahr 2006 regelt.

Tausende Verstösse gegen die Waffenruhe

Die UNO-Blauhelmtruppen (Unifil) überwachen die Aktivitäten seit der letzten Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel vor einem Jahr. Ihre Bilanz ist ernüchternd: «Wir haben seither über 10'000 Verstösse gegen die Resolution gezählt», erklärt Unifil-Sprecherin Kandice Ardiel.

Zerstörte Moschee mit Kuppeldach und Minarett am Meer, umgeben von Trümmern.
Legende: Die zerstörte Moschee in Naqoura. SRF / Thomas Gutersohn

Der Grossteil der Verstösse gehe auf das Konto der israelischen Armee: 7500 Einsätze von Drohnen und Kampfflugzeugen über libanesischem Gebiet, Tausend Artilleriefeuer und rund 2500 Bewegungen von Bodentruppen. Demgegenüber stehen 20 Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel.

Gerüchte, wonach die Hisbollah sich im Süden Libanons neu formiere, kann die UNO-Sprecherin nicht bestätigen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Hisbollah oder andere Akteure neue Infrastruktur bauen oder Waffen einführen», so Ardiel. Sie räumt aber ein, dass Unifil nicht überall vollen Zugang habe, etwa zu Privatgrundstücken. Gleichzeitig übernehme die libanesische Armee schrittweise die Kontrolle und habe mithilfe von Unifil bereits über 360 Waffendepots nichtstaatlicher Akteure geräumt.

UNO-Resolution 1701

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Die Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrates vom 11. August 2006 beendete den 34-tägigen Libanonkrieg zwischen Israel und der Hisbollah. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Ein vollständiger Waffenstillstand
  • Der Rückzug aller israelischen Streitkräfte aus dem Südlibanon
  • Die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen im Libanon, insbesondere der Hisbollah südlich des Litani-Flusses
  • Die Stationierung der libanesischen Armee und einer verstärkten UNO-Friedenstruppe (Unifil) im Süden des Landes

Die Umsetzung der Resolution ist bis heute lückenhaft und wird von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert, was zu den anhaltenden Spannungen und Verstössen führt.

Trotzdem stellt die Unifil ein erhöhtes Unsicherheitsempfinden in der Bevölkerung fest, zumal Israel seine Angriffe seit einem Monat wieder verstärkt. Human Rights Watch kritisiert insbesondere den Beschuss von Baumaschinen, die für den Wiederaufbau essenziell wären.

Ein kleines Zeichen der Hoffnung gibt es dennoch: Anfang Dezember fand im Unifil-Hauptquartier in Naqoura erstmals seit über 40 Jahren ein Treffen ziviler Vertreter aus dem Libanon und Israel statt. Ein winziger Schritt in einer zutiefst instabilen Region.

Echo der Zeit, 18.12.2025, 18 Uhr;liea

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