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Krieg in der Ukraine Amherd: «Vielleicht hat man sich bis jetzt zu sicher gefühlt»

Der Krieg in der Ukraine ordnet die Welt, wie wir sie seit 1989 kennen, neu. Länder rüsten auf, die Schweiz trägt internationale Sanktionen mit. Wie müssen wir mit dieser Zeitenwende umgehen? Bundesrätin Viola Amherd steht als Verteidigungsministerin im Fokus.

Viola Amherd

Bundesrätin

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Die 58-jährige Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS ist die erste Frau in diesem Amt. Geboren und aufgewachsen ist Amherd in Brig, im Oberwallis. Hier hat sie auch fast ihre gesamte berufliche Karriere als Advokatin und Notarin verbracht. 1992 wurde sie in den Briger Stadtrat gewählt, dem sie bis 2012 angehörte, davon 12 Jahre als Stadtpräsidentin. Bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat war sie 13 Jahre CVP-Nationalrätin. Ihre grösste politische Niederlage erlitt sie bei den Walliser Staatsratswahlen 1999. Sie unterlag dem Kandidaten der SP. Sie ist ledig. Ihre Freizeit verbringe sie sehr gerne in der Natur, beim Wandern oder Skifahren.

SRF News: Am Montag wurde der Schweizer Entscheid der Sanktionen gegen Russland kommuniziert. Man redet von einer Zeitenwende, auch in Bezug auf die Schweiz.

Viola Amherd: Das ist eine Zeitenwende. Die Sicherheitsarchitektur von Europa ist total auf den Kopf gestellt worden. Es ist etwas so Gravierendes eingetreten, womit man in dem Ausmass nicht gerechnet hätte. Vielleicht hat man sich bis jetzt zu sicher gefühlt. Wir haben in Europa seit 80 Jahren keine kriegerische Auseinandersetzung. Wenn Spezialisten, Militärexperten darauf hingewiesen haben, dass ein bewaffneter Konflikt auch heutzutage nicht auszuschliessen ist, hat man die fast ins Lächerliche gezogen.

Ein Angriffskrieg ist plötzlich Realität. Heisst das auch für uns, dass wir aufrüsten müssen?

Die Schweizer Armee hat sich in den letzten Jahren darauf vorbereitet, auf verschiedene Bedrohungen eine Antwort geben zu können. Wir haben beispielsweise die Berichte über die Entwicklung von der Luftwaffe, den Bodentruppen, der Cyber-Streitkraft. Die Armee hat sich auch auf den Verteidigungsfall vorbereitet. Das ist zum Teil belächelt worden. Jetzt sieht man, dass das richtig gewesen und wichtig ist.

Die Armee hat sich auch auf den Verteidigungsfall vorbereitet.
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Der Krieg hat auf einen Schlag das Sicherheitsbewusstsein gestärkt. Es gibt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato-Staaten: Zwei Prozent vom Bruttoinlandprodukt sollen für Verteidigungsausgaben reserviert sein. Die Schweiz ist noch nicht einmal bei einem Prozent.

Wir sind unter einem Prozent. Wir haben jedoch ein hohes Bruttoinlandprodukt. Und die Schweiz hat eine gut aufgestellte Armee. Wir haben sie weniger vernachlässigt in den letzten Jahren als vielleicht andere Länder wie Deutschland oder Österreich. Aber selbstverständlich haben auch wir Bedarf, das System zu ersetzen.

Der FDP-Präsident Burkart fordert in einer Motion den Bundesrat auf, die Verteidigungsausgaben sofort substanziell zu erhöhen. Worin würde man investieren?

Wir haben Planungen aufgrund von Berichten. Man hat fundiert analysiert, was es braucht. Wir haben verschiedene grosse Systeme, die man ablösen muss. Eines ist die Luftwaffe, die Kampfflugzeuge. Wir haben auch in der Bodenluftabwehr und mit Bodentruppen Bedarf. Die Armee hat das alles anhand zur Verfügung stehendem Geld geplant. Wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen würden, hätte man die Möglichkeit, die Erneuerungen rascher zu machen, was im Interesse von der Sicherheit der Bevölkerung positiv wäre.

Grosser Diskussionspunkt in der Schweiz sind die Kampfjets. Die Linken möchten den Kauf vom neuen Kampfjet F35 verhindern. Die Unterschriftensammlung für eine Initiative ist im Gang. Sie fordern, dass diese gestoppt wird.

Die Initianten sollten das in Erwägung ziehen. Wir haben einen Volksentscheid; das Budget für den Kauf von diesen Kampfflugzeugen wurde genehmigt. Eine Initiative ist ein demokratisches Recht. Aber in der jetzigen Situation erhöhen auch umliegende Länder die Rüstungsgelder massiv.

Diese Sicherheitslücke will ich der Bevölkerung nicht zumuten.
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Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sogar gesagt, der F35 sei eine Option für Deutschland. Wenn sie investieren würden und wir unser Geschäft unter Umständen noch um zwei Jahre verzögern, dann haben wir 2030 keine Flugzeuge. Diese Sicherheitslücke will ich der Bevölkerung nicht zumuten.

Das Gespräch führte Marc Lehmann.

SRF 4 News, 02.03.2022, 13 Uhr ; 

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