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Krieg in der Ukraine Atomwaffen in Belarus: ein irritierendes Signal des Kremls

Seit dem russischen Grossangriff auf die Ukraine zündelt die Kreml-Führung mit atomaren Drohungen. Mal verklausuliert, oft aber ganz unverhohlen. Die Ankündigung von Wladimir Putin, schon bald taktische Nuklearwaffen im westlichen Nachbarland Belarus zu stationieren, kommt deshalb nicht überraschend, irritiert jedoch enorm. Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete internationale Kampagne gegen Atomwaffen Ican spricht von einem gefährlichen und völkerrechtlich verbotenen Schritt.

Putin bestreitet letzteres: Er wolle nur tun, was die USA längst täten, nämlich taktische Atomwaffen – also solche mit geringer Reichweite, die für den Einsatz im Schlachtfeld gedacht sind – auf dem Territorium von verbündeten Staaten zu platzieren. Und das verstosse gegen kein internationales Abkommen.

Verletzung internationaler Verpflichtungen

Zwar trifft es zu, dass Washington in mehreren Nato-Staaten taktische Atomwaffen besitzt, in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei. Allerdings befinden sich diese schon seit der Frühphase des Kalten Krieges, seit den 1950er und 1960er Jahren dort.

Der 1970 in Kraft getretene internationale Atomsperrvertrag verbietet hingegen in Artikel eins jeglichen Transfer von Nuklearwaffen in ein anderes Land. Was allerdings auch stimmt: Sämtliche Nuklearmächte verletzen Artikel sechs dieses zentralen Abkommens, indem sie nicht so bald wie möglich nuklear abrüsten, obschon sie sich dazu verpflichtet haben.

Auffallend auch: Eben noch, beim Besuch mit Chinas Machthaber Xi Jinping in Moskau, haben sich die beiden Länder verpflichtet, keine Atomwaffen in andere Staaten zu bringen und dort zu stationieren.

Wie weit sind die Pläne gediehen?

Atomwaffenexperten sind momentan unterschiedlicher Meinung, wie weit die russischen Vorbereitungen in Belarus für die Positionierung von Atomwaffen bereits gediehen sind und ob sie tatsächlich schon im Sommer von dort aus einsetzbar wären.

Die USA wiederum erneuern nach Putins jüngster Drohung ihre Einschätzung, wonach Russland bisher noch keine Schritte unternommen habe, die auf einen bevorstehenden Einsatz von Atombomben hindeuteten. Es gibt auch keinerlei Äusserung, die darauf hindeutet, die Nato könnte künftig ihrerseits ihre taktischen Atomwaffen in östlichen Mitgliedländern, also näher an der Grenze zu Russland, stationieren.  

Militärisch wäre Russlands Schritt sinnlos und brächte keinen Mehrwert. Das Land verfügt auch so über mehr als genug Atomwaffen, die es, wo und wann immer es will, einsetzen kann. Vorläufig reagiert man daher im Westen gelassen auf die jüngste russische Atomdrohung. Allerdings ist sie das bisher konkreteste Signal, das darauf hindeuten könnte, dass man es in Moskau doch ernst meint damit.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, 26.03.2023, 7 Uhr

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