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Krieg in der Ukraine Das Dilemma Chinas gegenüber Russland

Chinas Beziehung zu Moskau sei reine Zweckehe, so eine Expertin. Auch innenpolitische Gründe spielen eine grosse Rolle.

Zwei Brüder im Geiste. So nimmt man die beiden Grossmächte China und Russland gerne wahr. Russlands Präsident, Wladimir Putin, war eben noch als Ehrengast an den Olympischen Spielen in Peking, flattiert vom grossen Vorsitzenden Xi Jinping, der ihm eine gemeinsame Zukunft versprach.

Putin in Ehrenloge. Klatscht.
Legende: An den Olympischen Spielen in Peking war Putin noch Ehrengast. Reuters

Doch man dürfe diese Freundschaft nicht überbewerten, sagt Simona Grano, Sinologin an der Universität Zürich: «China und Russland haben grundsätzlich eine sehr gute Beziehung. Aber: das Ganze ist eine reine Zweckehe.» Man sehe das zum Beispiel daran, dass China bis jetzt die Ukraine nicht kritisiert hat, und eben keine klare Position bezogen habe. Die einzige direkte Kritik sei an die Nato oder an die USA gegangen.

Resolution gegen Russland: China enthält sich

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Eine gegen Russlands Einmarsch in die Ukraine gerichtete Resolution ist im UNO-Sicherheitsrat wie erwartet am Veto Moskaus gescheitert. Doch westliche Diplomaten werteten die Abstimmung vor dem mächtigsten UNO-Gremium am Freitagabend (Ortszeit) dennoch als Erfolg bei ihrem Versuch, Russland international zu isolieren und einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben. Kein anderes Land stimmte mit Russland. China – sonst enger UNO-Partner der Russen – enthielt sich, genauso wie Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate. 11 Staaten stimmten zu, während über 70 weitere nicht stimmberechtigte Länder die Resolution unterstützten.

Das Stimmverhalten Chinas wurde dabei als vorsichtige Distanzierung von Russland gewertet. UNO-Botschafter Zhang Jun erklärte in der Sitzung: «China ist zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen der Lage in der Ukraine. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, den wir nicht sehen wollen». China glaube, dass die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten respektiert werden müssten. Zhang kritisierte dabei jedoch auch die Nato und sprach Moskau legitime Sicherheitsinteressen zu.

Tatsächlich weigert sich das chinesische Aussenministerium nach wie vor, von einer Invasion zu reden. Man dürfe dies jedoch nicht als eindeutige Stellungnahme für Russland sehen. Es zeige lediglich das Dilemma, in dem China jetzt stecke. China wolle es sich weder mit Russland, noch mit dem Westen verscherzen, sagt die Sinologin.

Ich glaube nicht, dass China bereit ist, mit dem Westen zu brechen.
Autor: Simona Grano Sinologin an der Universität Zürich

Grano: «Ich glaube nicht, dass sie bereit sind, mit dem Westen zu brechen.» Denn: All den Handel, den China mit der EU oder den USA betrieben, könnte das Land niemals durch den Handel mit Russland ersetzen. «Das will die kommunistische Partei nicht in Kauf nehmen.»

Vorbild für Minderheiten in China?

Ebenso wichtig sei China ein anderer Punkt: Die Angst, dass sich plötzlich auch eine eigene Minderheiten-Provinz, wie Tibet oder Xinjiang, die Ostukraine als Vorbild nehmen und China auseinanderbrechen könnte. «Dass plötzlich eine eigene Minderheiten-Region oder eine ethnische Gruppe die Unabhängigkeit anstrebt, und dabei auch noch von einer benachbarten Supermacht unterstützt werden könnte, ist Chinas grösster Alptraum. Das ist die allergrösste Angst.»

Und nicht zuletzt hat China Angst, dass Russlands Vorgehen einen internationalen Präzedenzfall schafft, der andere Länder auf die Idee bringt, auch die umstrittene Insel Taiwan offiziell anzuerkennen.

Tagesschau vom 26.02.2022, 19.30 Uhr ; 

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