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Journalist Trubetskoy: «Der deutsche Bundespräsident ist keine heilige Kuh»
Aus SRF 4 News aktuell vom 13.04.2022. Bild: Keystone
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Krieg in der Ukraine Ein Putin-Versteher? Darum ist Steinmeier in Kiew unerwünscht

Diplomatischer Affront: EU-Politiker geben sich in Kiew die Klinke in die Hand – der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bleibt draussen. Die Gründe.

Wie andere europäische Staats- und Regierungschefs auch wollte Frank-Walter Steinmeier nach Kiew reisen. Geplant war ein gemeinsamer Solidaritätsbesuch mit den Staatschefs Polens und der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland.

Der Pläne platzten aber prompt – das deutsche Staatsoberhaupt ist in der ukrainischen Hauptstadt ausdrücklich nicht erwünscht: Präsident Wolodimir Selenski schob den Plänen einen Riegel. Ein Affront, wie er in der Diplomatie Seltenheitswert hat.

Steinmeier vor den Medien in Warschau, 12. April
Legende: «Ich war dazu bereit. Aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen – war das in Kiew nicht gewünscht», sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch in Warschau. Keystone

In Deutschland selbst polarisiert Steinmeier kaum, als Bundespräsident gibt er sich als Mahner und Mittler. In der Ukraine allerdings gibt vor allem seine Rolle als deutscher Aussenminister zu reden, ein Amt, das er von 2005 bis 2009 und erneut von 2013 bis 2017 bekleidete.

Berlin reagiert auf diplomatischen Affront

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Die deutsche Bundesregierung verwahrt sich vor der Darstellung, wonach sein Staatsoberhaupt eine zweifelhafte Loyalität zu Russland unterhält. «Der Bundespräsident bezieht klar und eindeutig auf Seiten der Ukraine Stellung», liess man über einen Regierungssprecher ausrichten. Deutschland gehöre zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine.

Der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy sagt es so: «Steinmeier steht für so ziemlich alles, was in den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland schiefgelaufen ist.» So habe sich Steinmeier als Aussenminister auch für den Bau der Gaspipelines Nordstream 1 und Nordstream 2 eingesetzt. «Diese Projekte spielten eine grosse Rolle dabei, dass etwa die russische Annexion der Krim 2014 überhaupt möglich wurde.»

Etwas grob ausgedrückt ist Steinmeier ein Politrentner, der sein Gesicht wahren möchte.
Autor: Denis Trubetskoy Ukrainischer Journalist

Zudem gebe es in der Ukraine kaum einen Politiker, der ein schlechteres Image als Gerhard Schröder habe – ein Name, der eng mit der politischen Karriere von Steinmeier verknüpft ist. Der einstige deutsche Bundeskanzler Schröder tritt seit Jahren hauptsächlich als Putins Gaslobbyist in Erscheinung.

Steinmeier und Schröder 2007  bei einer Geburtstagsfeier
Legende: Steinmeier (rechts) war unter Schröder Chef des Bundeskanzleramts (1999 bis 2005). Schröder ist heute wegen seiner engen Verbindungen zu Wladimir Putin auch in Deutschland höchst umstritten. Keystone/Archiv

Schliesslich werden auch Steinmeiers Vermittlungsversuche beim Krieg in der Ostukraine kritisch betrachtet, der 2014 begann. «Die ‹Steinmeier-Formel› zur Beilegung des Konflikts mit dem Minsker Abkommen galt in der Ukraine quasi als Schimpfwort», sagt Trubetskoy. Der Vorwurf: Es sei ein Friedensfahrplan, der zulasten der Ukraine ging.

Steinmeiers Selbstkritik am Russland-Kurs

Steinmeier hatte vor kurzem erstmals eigene Fehler in der Politik gegenüber Russland eingeräumt, so etwa das Festhalten an Nordstream 2. Gegenüber der ARD nannte er Putin einen «eingebunkerten Kriegstreiber». Sein Image bleibt aber ramponiert – auch für den ukrainischen Journalisten. «Ich weiss gar nicht, ob diese Entschuldigung bei den Ukrainern angekommen ist. Aus meiner Sicht ist sie auch höchstens halbherzig.»

Der damalige deutsche Aussenminister Steinmeier besucht 2016 Kreml-Chef Putin Moskau.
Legende: Steinmeier stehe in der Ukraine für eine deutsche Politik, die auf die Annexion der Krim und den Krieg im Donbass zu zahm reagiert habe, sagt der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy. Im Bild: Der damalige deutsche Aussenminister Steinmeier (rechts) besuchte 2016 Kreml-Chef Putin in Moskau. Keystone/Archiv

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, warf Steinmeier kürzlich im «Tagesspiegel» ein «Spinnennetz an Russlandkontakten» vor. Trubetskoy wertet Steinmeiers Entschuldigung denn auch als blosse Replik: «Mein Eindruck ist, dass sich Steinmeier ohne Melnyks Äusserungen nicht entschuldigt hätte.»

Ein gewagtes Manöver

Doch kann es sich die Ukraine leisten, das Staatsoberhaupt eines der einflussreichsten europäischen Länder zu diskreditieren? Politisch klug sei das womöglich nicht, findet der freie Journalist, emotional aber verständlich: «Ich bin dagegen, aus dem deutschen Bundespräsidenten eine heilige Kuh zu machen.»

Letztlich hätte Steinmeiers Besuch in Kiew auch eher dem Zweck gedient, sein eigenes Image zu verbessern, schliesst Trubetskoy. «Etwas grob ausgedrückt ist Steinmeier ein Politrentner, der sein Gesicht wahren möchte.»

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Ukraine lädt deutschen Bundespräsidenten aus
aus Rendez-vous vom 13.04.2022. Bild: Keystone
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SRF 4 News, 13.04.2022, 08:45 Uhr;

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