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Krieg in der Ukraine Gestoppter Getreideexport: Wie weit ist Putin bereit zu gehen?

Russland betrachtet ab sofort sämtliche Schiffe, die Kurs auf die Schwarzmeerhäfen der Ukraine nehmen, als militärische Ziele – und die Staaten, unter denen diese Schiffe registriert seien, würden fortan als Kriegsgegner betrachtet, so Moskau. Was die russische Drohung bedeutet, schätzt SRF-Auslandspezialist Fredy Gsteiger ein.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Wie ist die Drohung Russlands völkerrechtlich einzuordnen?

Das Völkerrecht ist, was zivile Lieferungen wie Getreideexporte angeht, ganz auf Seite der Ukraine. Die Freiheit der Navigation und der Meere ist im Völkerrecht ein hohes Gut. Die Getreideschiffe fahren ausschliesslich in ukrainischen und internationalen Gewässern, russische Hoheitsgewässer werden nicht durchfahren. Insofern ist Russlands Ankündigung, keine Sicherheitsgarantien mehr abzugeben für solche Schiffe, blanker Zynismus. Denn die Ukraine braucht keine russische Sicherheitsgarantie – nötig ist nur, dass Russland die Schiffe in Ruhe fahren lässt.

Die Ukraine will weiterhin Getreideschiffe fahren lassen. Wie realistisch ist das?

Die meisten Getreideschiffe fahren nicht unter ukrainischer Flagge. Moskau hat nun angedroht, alle Schiffe ins Visier zu nehmen, egal unter welcher Flagge sie verkehren. Kiew wird versuchen, Reedereien zu finden, die das Risiko eingehen, allenfalls ins Visier der Russen zu geraten. Ausserdem braucht es Seeleute, die bereit sind, auf solchen Schiffen zu arbeiten, sowie Versicherungen, welche die Schiffe und die Fracht versichern. Auch wenn das alles gelingt, ist klar, dass sich das exportierte ukrainische Getreide angesichts der viel höheren Risikoprämien stark verteuern würde.

Wird Russland tatsächlich zivile Schiffe militärisch angreifen?

Grundsätzlich hat die militärische Führung Russlands ihre Skrupellosigkeit in diesem Krieg vielfach bewiesen. Doch die Frage ist auch, wie Moskau das politische Risiko für solche Angriffe kalkuliert. Denn es könnten sich auch bisherige Freunde Russlands wie China, afrikanische, asiatische oder lateinamerikanische Länder von Moskau abwenden. Russland muss mit breiter Empörung rechnen, wenn es zivile Getreideschiffe angreift und versenkt, die beispielsweise Weizen für Ägypten oder Kenia geladen haben.

Könnte eine westliche Koalition die Getreideschiffe militärisch schützen?

Militärische Vorkehrungen wären möglich – aber nie lückenlos und sie wären enorm aufwendig. Denn es geht um Hunderte oder gar Tausende von Frachtschiffen, die in den nächsten Monaten mit Kriegsschiffen zu eskortieren wären. Es bräuchte also unzählige Kriegsschiffe, die russische Angriffe tatsächlich abwehren könnten. Grundsätzlich liegt in diesem Fall der Vorteil beim Angreifer: Russland muss nur ein einziges Schiff angreifen und versenken, um voraussichtlich den ukrainischen Getreideexport definitiv zu stoppen. Die Verteidiger dagegen müssten Hunderte von Frachtschiffen schützen.

Könnte die Anti-Piraten-Aktion vor Somalia nicht ein Vorbild sein?

Der Vergleich hinkt: Die Piraten vor Somalia waren zwar bewaffnet, besassen aber keine Flugzeuge, Kriegsschiffe, Torpedos oder Raketen – sie waren ein viel schwächerer Gegner für die maritime Schutzeskorte als das Russland im Schwarzen Meer ist. Und: Schon der Schutz vor den Piraten vor Somalia kostete zwischen sechs und zehn Milliarden Dollar pro Jahr. Der Schutz der Getreideschiffe vor russischen Attacken im Schwarzen Meer wäre noch um ein Vielfaches teurer.

Echo der Zeit, 20.7.2023, 18:00 Uhr ; 

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