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Zugverkehr auf Krim-Brücke wieder in Betrieb
Aus Tagesschau vom 09.10.2022.
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Krim-Brücke zerstört «Das ist ein ungeheurer Schlag gegen Russland»

Für Russland sei der Angriff auf die Krim-Brücke eine der grösstmöglichen Blamagen, sagt Ukraine-Experte David Nauer. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert? Nach schweren Explosionen auf der von Russland besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind nach russischen Behördenangaben am Samstag Teile der Krim-Brücke eingestürzt. Die Detonation hat sich in einem LKW-Transporter ereignet, mehrere Waggons eines Güterzugs standen am Samstagmorgen in Flammen. Der Vorfall wird nun untersucht.

Drei Menschen gestorben

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Nach russischen Angaben sind bei der Explosion mindestens drei Menschen gestorben. Das nationale Ermittlungskomitee teilte mit, dass die Leichen aus dem Wasser gezogen worden seien. Es handle sich um vorläufige Angaben, hiess es. Die Menschen sollen in Fahrzeugen gesessen haben, als am Morgen auf der Autostrecke der Krim-Brücke ein vom Festland kommender Lastwagen explodiert ist.

Ist der Verkehr noch beeinträchtigt? Güter- und Fernverkehrszüge rollten laut dem russischen Verkehrsministerium am Sonntag wieder im normalen Betrieb über die Krim-Brücke, der Regionalverkehr soll am Abend wieder anlaufen. Im Autoverkehr kam es zu stundenlangen Wartezeiten an der Brücke, wie Medien berichteten. Laut britischen Experten dürfte die Explosion die Kapazität der Strassenverbindung erheblich verringert haben. Zwei der vier Fahrspuren seien auf einer Länge von 250 Metern eingestürzt. Die anderen beiden Spuren würden aber wahrscheinlich wieder genutzt, heisst es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums.

Wer steckt hinter dem Angriff? Es sei offenkundig, dass die Ukraine dafür verantwortlich sei, betont Nauer. Ebenso sei klar, dass Profis am Werk gewesen sein müssen. «Die Kräfte wussten, was sie taten. Die Brücke ist äusserst gut bewacht und dementsprechend schwierig ist es, solche Aktionen durchzuführen.» Die Zeitung «Ukrajinska Prawda» berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Kiew, dass der Geheimdienst SBU hinter der Spezialoperation stecke. Der SBU bestätigte das nicht, veröffentlichte aber wie viele offizielle Stellen in der Ukraine in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von der brennenden Brücke – und stellte ein Gedicht dazu.

Putin gibt Ukraine Schuld an «Terrorakt»

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Der russische Präsident Wladimir Putin hat den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion auf der Krim-Brücke verantwortlich gemacht. «Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war», sagte Putin am Sonntagabend.

Welche symbolische Bedeutung hat die Brücke?  Es gab in der Hauptstadt Kiew immer wieder Drohungen, die von Kremlchef Putin 2018 eingeweihte Brücke unter Beschuss zu nehmen. Die Bedeutung der Brücke für den Kreml kann gemäss David Nauer nicht genug unterstrichen werden: «Sie ist in der russischen Propaganda das Bindeglied zur Krim.» Auch der Zeitpunkt der Explosion dürfte laut Nauer kein Zufall gewesen sein: «Am Freitag feierte Putin seinen 70. Geburtstag. Der Angriff könnte sozusagen ein nachträgliches ‹Geschenk› der Ukraine für Putin gewesen sein.»

Welche strategische Bedeutung hat die Brücke? Nebst der symbolischen ist vor allem die militärische Bedeutung der Krim-Brücke immens. «Sie ist extrem wichtig für die Lieferung von Material. Durch die Zerstörung ist die Versorgung der Truppen im Süden, welche ohnehin prekär ist, noch viel schwieriger geworden», sagt Nauer. Dass die Ukraine mutmasslich eines der strategisch wichtigsten Objekte der Russen in die Luft sprengen konnte, sei für den Kreml eine enorme Blamage. «Der Angriff ist ein ungeheurer Schlag gegen Russland.»

Wie reagiert die Ukraine? In der Ukraine wurden die Bilder der brennenden Brücke mit Jubel aufgenommen. «Krim. Die Brücke. Der Anfang», schrieb der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Samstag auf Twitter. «Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurück.» Der ukrainische Präsident Selenski machte bei seiner täglichen Videoansprache zwar kryptische Anspielungen auf die Krim, liess eine mögliche ukrainische Beteiligung aber unerwähnt.

Putin befiehlt Geheimdienst verstärkte Kontrolle

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Nachdem der ukrainische Präsidentschaftsberater Mychajlo Podoljak in seinem Tweet gefordert hatte, dass alles Gestohlenen zurück an die Ukraine müsse, ruderte er ein paar Stunden später mit kryptischen Äusserungen zurück. Er stellte den Anschlag als Konkurrenzkampf zwischen russischer Armee und Geheimdienst FSB dar. Der FSB versuche, die Armeespitze auszuwechseln und sei nun plötzlich selbst angeschlagen, weil er den Angriff auf die Krim-Brücke verschlafen habe.

Dabei war offiziell der FSB gar nicht zuständig. Die Aufgabe teilten sich bisher Verteidigungsministerium, Nationalgarde und Verkehrsministerium. Putin wies den Geheimdienst erst nach der Explosion per Dekret an, die Kontrolle über die beschädigte Krim-Brücke zu verschärfen.

Es ist die erste Massnahme, die der Kreml nach der mutmasslich durch einen Anschlag herbeigeführten Explosion ergriffen hat. Öffentlich äussern wollte sich der russische Präsident jedoch nicht. Putin wird nach offiziellen Angaben auch in den nächsten Tagen nicht zum russischen Volk sprechen. Ein solcher Auftritt sei nicht geplant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag.

Im ukrainischen Fernsehen betonte der nach Kiew geflohene frühere russische Parlamentsabgeordnete Ilja Ponomarjow, es könne sich um eine mehrteilige Spezialoperation gehandelt haben. Ponomarjow hatte schon im August nach dem Autobomben-Attentat auf die Kriegsbefürworterin Darja Dugina von einer Untergrundorganisation pro-ukrainischer Partisanen gesprochen, die angeblich gezielt grössere Anschläge verübe.

Wie reagiert Russland? Für Russland sei der Angriff eine der grösstmöglichen Blamagen. «Man kann sich nicht vorstellen, dass Russland nicht auf diesen Schlag reagieren wird.» Zugespitzt könnte man sagen, so Nauer, dass der Angriff auf die Brücke nur noch durch einen Angriff auf den Kreml selbst getoppt werden könnte. Da die konventionellen Kriegsmittel langsam ausgeschöpft sind, sei es denkbar, dass nun neue Mittel eingesetzt werden: «Wird nun noch schärfer mit Atomwaffen gedroht? Oder gibt es gar einen massiven Raketenangriff auf Kiew?» Andererseits habe es auch früher schon ukrainische Angriffe auf russische Ziele gegeben, auf die der Kreml wider Erwarten nicht reagiert habe, betont David Nauer.

David Nauer

David Nauer

Ukraine- und Russland-Korrespondent

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David Nauer ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.

Tagesschau, 08.10.2022, 13 Uhr;

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