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Kühles Verhältnis zu Ankara EU-Parlament will Aussetzung der Türkei-Beitrittsgespräche

  • Das Europaparlament hat vorgeschlagen, die ohnehin stillstehenden Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union angesichts der angespannten Beziehungen offiziell auszusetzen.
  • Sollte die Türkei den Trend weg von den Werten und Normen der EU nicht konsequent umkehren, bestehe man auf die Aussetzung dieser Verhandlungen.

Für die künftigen Beziehungen zur Türkei könnten eventuell neue politische Modelle gefunden werden, hält das Europaparlament fest. Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Parlament, der Deutsche Manfred Weber (CSU), sprach von einem starken Signal. Die Türkei ist seit 2005 EU-Beitrittskandidat, die Verhandlungen liegen allerdings auf Eis.

Die Türkei wies den Bericht als «inakzeptabel» zurück. Er sei einseitig und keinesfalls objektiv und komme zudem in einer Zeit, in der man versuche, die Beziehungen zwischen EU und der Türkei im Rahmen einer «positiven Agenda» wiederzubeleben, teilte das Aussenministerium in Ankara mit. Als EU-Beitrittskandidat erwarte die Türkei «konstruktive Anstrengungen» vom EU-Parlament, um die Beziehungen zur Türkei zu verbessern anstatt eine Plattform für «gegenstandslose Vorwürfe und blinde Anschuldigungen» zu bieten.

Eine «leere Verhandlungshülle»

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Für Thomas Seibert, Journalist in Istanbul, ist die Lagebeurteilung des EU-Parlaments wenig überraschend. «Sand im Getriebe gab es schon 2005 als die Verhandlungen anfingen.» Eine Art Ur-Konflikt im bilateralen Verhältnis und Hürde für einen allfälligen Beitritt der Türkei zur EU sei, dass die Türkei das EU-Mitglied Zypern nicht anerkennt.

Um die Rechtsstaatlichkeit im Land sei es zudem – insbesondere seit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 und der rigorosen Verfolgung von Oppositionellen – schlecht bestellt. «Das war praktisch der Todesstoss für die Beitrittsverhandlungen. Seitdem bewegt sich nichts mehr.»

Die Resolution des Europaparlaments ist nicht bindend - die EU-Kommission muss sich also nicht daran halten. Wahrscheinlich ist denn auch, dass der Vorschlag keine Folgen zeitigen wird. Beide Seiten möchten an der «leeren Verhandlungshülle» festhalten, glaubt Seibert. «Weder die Türkei noch die EU möchten vom Tisch aufstehen, weil sie kein anderes Modell haben, mit dem sie ihre Beziehungen könnten.» Auch wenn faktisch schon lange nicht mehr über einen EU-Beitritt verhandelt werde.

Dramatische Rückschritte in der Türkei sehen die EU-Abgeordneten bei Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit sowie bei institutionellen Reformen. Nicht zuletzt kritisieren sie die Aussenpolitik der Türkei in Teilen als feindselig – auch gegenüber der EU und ihren Mitgliedstaaten. Gleichzeitig verwiesen die Abgeordneten darauf, dass ein enger Dialog und die Zusammenarbeit mit der Türkei im Bereich der Aussen- und Sicherheitspolitik weiter bestehen müsse. Man befürworte weiter die Visaliberalisierung und wolle die Bevölkerung in der Türkei unterstützen.

SRF4 News, 20.05.2021, 5:00 Uhr ; 

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