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Luftangriffe auf Damaskus «Israel wünscht sich ein schwaches, gespaltenes Syrien»

Israels Luftwaffe hat mehrere Ziele in der Nähe des Präsidentenpalastes in Damaskus angegriffen, mitten in Syrien. Medienberichte zitieren anschliessend Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: «Dies ist eine klare Botschaft an das syrische Regime. Wir werden nicht zulassen, dass syrische Streitkräfte südlich von Damaskus aufmarschieren oder die drusische Gemeinschaft bedrohen.» Nahost-Korrespondent Thomas Gutersohn kennt die Hintergründe.

Thomas Gutersohn

Nahost-Korrespondent

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Thomas Gutersohn lebt seit 2023 in Amman und berichtet für SRF aus dem Nahen Osten. Von 2016 bis 2022 war er als Südasien-Korrespondent tätig, zuvor hat er aus der Westschweiz berichtet. Gutersohn arbeitet seit 2008 bei SRF und hat in Genf Internationale Beziehungen studiert.

Warum will Israel die Drusen in Syrien schützen?

Israel macht die syrische Übergangsregierung verantwortlich für die Ausschreitungen gegen die Drusen in den letzten Tagen. Es schreibt den syrischen Streitkräften etwa vor, nicht in die Drusen-Gebiete vorrücken zu dürfen, und das auf syrischem Gebiet. Dies ist neben dem Beschuss eine klare Einmischung in die Angelegenheiten Syriens. Es liegt schlicht nicht in der Kompetenz Israels, dies zu entscheiden und auch nicht wirklich, damit zu legitimieren, die Drusen schützen zu wollen.

Die Drusen – eine religiöse Minderheit

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Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, die heute vor allem in Syrien, Israel, Jordanien und im Libanon angesiedelt ist. Die Religionsgemeinschaft ging im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervor. In Israel dienen viele Drusen freiwillig in der Armee – der jüdische Staat sieht sie also als Verbündete.

Der Staat Israel betreibt eine klare Interessenpolitik. Er will die syrischen Truppen möglichst weit weg haben von der Grenze, während israelische Truppen in den letzten Monaten immer weiter vorgerückt sind.

Wie reagiert die Regierung in Syrien auf diesen Angriff und auf die Drohung aus Israel?

Israel hat am Mittwoch bereits Drohnenangriffe auf syrisches Gebiet geflogen. Das syrische Aussenministerium hat diese verurteilt. Das syrische Präsidialamt erklärte mittlerweile, der neueste israelische Luftangriff sei eine «gefährliche Eskalation».

Israel hat in den ersten Tagen nach der Machtübernahme der Milizen die gesamte Infrastruktur der früheren Assad-Armee zerbombt. Es fehlt den syrischen Streitkräften tatsächlich an Zähnen, um auf solche Angriffe zu reagieren. Dies ermöglicht das offensive Vorgehen Israels in Syrien. Zudem ist die Regierung in Damaskus nach wie vor sehr stark mit Innenpolitik beschäftigt. Sie muss vor allem die vielen Milizen, die beim Sturz von Assad mitgeholfen haben, unter ihre Kontrolle bringen. Das ist ihr bisher nicht gelungen und spiegelt sich eben auch in den Ausschreitungen in den letzten Tagen und Monaten wider.

Wie reagieren die syrischen Drusen auf die Rückendeckung Israels?

Die Drusen sind gespalten. Es gibt durchaus Kreise, denen jeder Schutz vor konfessioneller Gewalt recht ist. Es gibt auch solche, die etwas neidisch auf die Drusen in Israel sind – die generell eine bessere Lebensqualität haben und die eine Zugehörigkeit zu Israel nicht unbedingt ablehnen. Es gibt aber auch jene, die klar zur Regierung von Ahmed al-Scharaa halten. Sie waren auch am Sturz des Assad-Regimes beteiligt und sehen sich als Teil Syriens und wollen keine Einmischung Israels. Diese Kreise haben sich gestern Abend mit Mitregierungsvertretern getroffen, um sich auf Pläne der Eindämmung der jüngsten Eskalation zu einigen. Ob diese fruchten, wird sich erst zeigen. Aber klar ist, die Spaltung bei den Drusen wird jetzt umso sichtbarer, da die Gewalt in den letzten Tagen um sich geschlagen hat.

Gruppe von Männern mit taktischer Ausrüstung auf einer Strasse.
Legende: Bewaffnete drusische Männer stehen an einem Kontrollpunkt in Jaramana, südöstlich von Damaskus.(29.4.2025) REUTERS/Stringer

Israel ist über die Golanhöhen weiter nach Syrien eingerückt. Was will Israel in Bezug auf Syrien?

Die neue Regierung in Syrien ist der israelischen Regierung höchst suspekt. Assad, der frühere Machthaber, war ihnen ein weitaus genehmerer Nachbar. Er war berechenbar, er war schwach. Das wünscht sich Israel auch weiterhin von Syrien – ein schwaches, konfessionell gespaltenes Syrien, das viel mehr mit sich selbst beschäftigt ist, als dass es sich um die Expansion Israels im Golan kümmern könnte.

Rendez-vous, 2.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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