Irgendwo im trockenen Westen des Sudans, in Darfur, ist Mohammed Hamdan Daglo alias «Hemedti» aufgewachsen – in einer Familie von Kamelhändlern. Irgendwann in den 1970er-Jahren, in einem arabisch-sprachigen Nomadenstamm.
Nach der dritten Klasse bricht er die Schule ab. Statt lesen und schreiben lernt er Karawanen zu führen und Preise für seine Kamele zu verhandeln. In Geschäften zwischen Darfur, Tschad und Ägypten. Hemedti spricht oft von seiner Herkunft. Vom Aufwachsen in einer Welt, in der Clan-Loyalität zählt und Respekt nicht mit Diplomen verdient ist.
Hemedti inszeniere sich damit als Gegenentwurf zur Elite in Khartum, schreibt der Sudan-Experte Alexander De Waal. Als Mann aus der Wüste, der den Mächtigen zeigt, dass auch andere herrschen können.
Von den «Teufeln auf Pferden» zum Chef der RSF-Milizen
2003 kommt der Krieg nach Darfur. Nicht-arabische Gruppen rebellieren gegen Khartum. Die Regierung reagiert. Aber nicht mit Soldaten, sondern mit arabischen Milizen. Sie nennen sich «Janjaweed» – «Teufel auf Pferden» – und brennen Dörfer nieder, vergewaltigen, löschen ganze Clans aus.
Hemedti schliesst sich den Milizen an. Er kennt die Wüste, hat ein Gespür für Macht und steigt rasch zum Anführer auf. So beginnt das, was später als der «Völkermord von Darfur» in die Geschichte eingeht. Doch in Khartum heisst es, wer Probleme löse, steige auf. Genau das tut Hemedti.
Der damalige Langzeitherrscher Omar al-Baschir nennt ihn bald «seinen Beschützer». Er macht ihn zum Chef einer neuen Truppe, den «Rapid Support Forces» (RSF). Offiziell für Sicherheit zuständig, tatsächlich aber eine Neuauflage der «Janjaweed». Diesmal in Uniform, mit neuen Waffen und Fahrzeugen.
Krieger und Geschäftsmann
Hemedti nutzt die Macht, um seine eigene aufzubauen. Er sichert sich Goldminen, gründet eine Familienfirma und exportiert das Gold nach Dubai. So wird aus dem Kamelhändler ein Millionär und bald der zweitmächtigste Mann des Sudan.
2019 stürzt die Bevölkerung Diktator Baschir, auch mithilfe von Hemedti. Er verrät den Mann, der ihn gross gemacht hat und spricht von Demokratie und Wandel. Aber nur kurz darauf lässt er ein Protestlager in Khartum blutig räumen. Dann stürzt er mit Armeechef Abdelfattah al-Burhan die Übergangsregierung.
Armee und Miliz regieren darauf gemeinsam. Doch als Burhan die RSF in die Armee eingliedern will, sagt Hemedti Nein. Der nun seit zweieinhalb Jahren andauernde Krieg zwischen den zwei Generälen beginnt. Die RSF ist heute keine einheitliche Armee, sondern ein Geflecht alter Milizen. Viele Kämpfer stammen aus Darfur, wo sie schon als Jugendliche kämpften und plünderten. Für sie ist Krieg Alltag und bedeutet Rache, Überleben und Beute.
El Fascher und kein Ende
Immer wieder richtet sich die Gewalt gegen nicht-arabische Gemeinschaften, die sich einst gegen Khartum auflehnten. Mit der Einnahme von El Fascher vor wenigen Tagen kontrolliert die RSF praktisch ganz Darfur. Der Ort, wo Hemedti begann, gehört jetzt ihm.
Hemedti werde sich nie zufriedengeben, sagt Analyst Jérôme Tubiana im Gespräch mit der International Crisis Group. Er wolle mehr Macht und Sicherheit für sich, seine Leute und wirtschaftliche Interessen. Er will auch nicht als Milizenführer aus Darfur gelten, sondern als nationale Kraft. «Mit El Fascher bewegen wir uns hin zur Einheit des Sudan. Wir machen weiter und geben keinen Zoll unseres Landes her», erklärte Hemedti letzte Woche.