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Machtpolitik mit Corona Im «Impfkrieg» stehen China und Russland besser da

Im «Kalten Krieg um Impfstoffe» haben Peking und Moskau die Nase vorn. Der Westen hat zumindest vorläufig das Nachsehen.

Eigentlich ist man sich einig: Die Corona-Pandemie ist eine globale Krise, die globale Lösungen erfordert. Tatsächlich entwickle sich daraus jedoch ein Impfkrieg um Einfluss und Macht, sagte Yves Desbiens von der Nato-Denkfabrik Stratcom in Riga in einer virtuellen Debatte.

In der globalen Impfstoffdiskussion gehe es um weit mehr als um Impfstoffe, ergänzt Allison Carragher vom EU-Institut für Sicherheitsstudien.

In der globalen Impfstoffdiskussion geht es um weit mehr als um Impfstoffe.
Autor: Allison Carragher EU-Institut für Sicherheitsstudien

Wenn es denn ein Impfkrieg ist, so hat sich der Westen bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Man bemühte sich zwar um einen gemeinsamen Ansatz bei der Corona-Bekämpfung. Und allein die EU spendete 2,2 Milliarden Euro für die Covax-Initiative der WHO, dank der auch ärmere Länder Impfstoffe erhalten sollen.

Westlicher Impfegoismus – östliche Imagepflege

Gleichzeitig herrscht im reichen Westen Impfegoismus. Die EU tue zu wenig für ärmere Länder, sagt Carragher. Russland und China seien weitaus aktiver, was deren Image zugutekomme.

Die Regierungen in demokratischen westlichen Ländern stehen enorm unter Druck, rasch ihre eigene Bevölkerung zu impfen. Sie geben kaum Impfstoffe ab. Deshalb hat in Dutzenden von Drittweltstaaten das Impfen noch nicht einmal begonnen. Die USA horten gar Ausgangsstoffe für die Impfstoffherstellung. Auch deshalb kommt diese nur zäh vom Fleck.

Kreml stellt Impfdiplomatie vor eigene Interessen

Erheblich besser schlägt sich Russland. Schon gut 50 Staaten haben russische Impfstoffe, vor allem Sputnik, zugelassen. Moskau betreibe aktive Impfdiplomatie, sagt Stanislaw Secrieru vom EU-Institut für strategische Studien. Will heissen: Während in Russland schleppend geimpft wird, ist das Land als Impfanbieter weltweit präsent.

Moskau weckt zu hohe Erwartungen.
Autor: Stanislaw Secrieru EU-Institut für strategische Studien

«Russland verstärkt so bestehende Abhängigkeiten – etwa in Belarus oder Armenien – und verschafft sich gar Respekt weit darüber hinaus», stellt Secrieru fest: Moskau wecke allerdings zu hohe Erwartungen. Seine Produktion sei vorläufig viel zu gering, um es zu einer Impfstoff-Grossmacht zu machen. Die Kommunikation sei also besser als die Realität dahinter.

China: Unrühmlicher Anfang – grosses Potenzial

Sehr rasch strebte auch China eine Führungsrolle in der Corona-Bekämpfung an, wie Alice Ekman von der Denkfabrik Carnegie ergänzt: «China hat eine sehr laute und offensive Impfdiplomatie lanciert.» Peking lenkt damit davon ab, dass es in der Corona-Frühphase durch seine Heimlichtuerei eine unrühmliche Rolle spielte und Empörung erntete.

China hat eine sehr laute und offensive Impfdiplomatie lanciert.
Autor: Alice Ekman Denkfabrik Carnegie

China kann aber – anders als Russland – grosse Impfstoffmengen produzieren und beliefert heute 160 Länder und Organisationen. Peking ist freilich nur begrenzt der generöse Spender. Vielmehr häufig der nüchterne Krämer, der Impfstoffe nicht verschenkt, sondern meistens verkauft – wie zuvor Schutzmasken und Covid-Tests.

Lohnende Impfstoff-Kooperationen

Dennoch: Während der Westen Chinas Verhalten kritisiert, wird seine Rolle andernorts weitaus positiver gesehen – positiver als jene des Westens. Und das, obschon die chinesischen Impfstoffe weniger wirksam sind.

Der Westen ist hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.
Autor: Yves Desbiens Nato-Denkfabrik Stratcom

Weil Corona so bald nicht besiegt ist, entwickeln sich aus Impfstoff-Kooperationen langfristige strategische Partnerschaften. Es zahlt sich also für Russland und China aus, dass sie sich sogleich der Welt zuwandten – derweil der Westen hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sei, sagt Desbiens vom Stratcom-Institut.

«Glückskette» weitet Spendenaufruf auf Indien aus

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Ein Spitalangestellter trägt eine mannshohe Sauerstoffflasche
Legende: Reuters

In Indien ist die Coronavirus-Pandemie in den vergangenen Tagen ausser Kontrolle geraten. Die rund 9 Millionen Franken Spendengelder seit dem Herbst sind nun fast vollständig für Partnerorganisationen eingesetzt. Um weiterhin weltweit und speziell jetzt auch Indien unterstützen zu können, ruft die «Glückskette» zu Spenden auf. Überweisungen auf das Postkonto 10–15000–6 mit Vermerk «Coronavirus International» oder auf der Website www.glueckskette.ch sind sehr willkommen. Herzlichen Dank!

Rendez-vous, 29.04.2021, 12:30 Uhr

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