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Menschenwürde versus Täuschung KI-Bilder für Spendenaufrufe: «Es ist ein Dilemma»

Hilfsorganisationen setzen für ihre Kampagnen immer häufiger auf Bilder, die mit künstlicher Intelligenz generiert wurden. Das hat der britische «Guardian» recherchiert. Zum Beispiel soll ein KI-generiertes Mädchen mit blauem Auge für Gewalt in Kinderehen sensibilisieren. Oder bei einer Anti-Hunger-Kampagne sieht man einen ausgemergelten Jungen, der eine leere Schüssel in der Hand hält – ebenfalls kein echtes Foto.

Petra Grimm ist Professorin für Medienforschung und digitale Ethik in Stuttgart. Sie erläutert im Interview, was für Vorteile KI-Bilder in diesem Geschäft haben – und, in welchem Dilemma die Hilfsorganisationen stecken.

Petra Grimm

Professorin für Medienforschung und digitale Ethik

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Petra Grimm arbeitet seit 1998 als Professorin für Medienforschung und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien Stuttgart. Sie hat dort das Institut für Digitale Ethik gegründet und sitzt in dessen Leitungsgremium. Grimm ist auch Autorin und publiziert immer wieder zu diesem Thema.

SRF News: Frau Grimm, ich würde gerne mit einer These einsteigen: endlich einmal eine KI-Anwendung für einen guten Zweck. Wie sehen Sie das?

Petra Grimm: Problematisch finde ich erstens die Frage, ob es gekennzeichnet ist. Wir wissen aus vielen Studien, dass Nutzende darüber informiert werden wollen, ob ein Bild oder eine Stimme KI-generiert ist – also Transparenz als Wert und Stichwort. Zweitens: Eine solche Organisation lebt davon, das Vertrauen ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer aufzubauen und möglichst lange zu behalten. Wenn ich jetzt aber mit einem KI-generierten Bild komme und im Nachhinein bekannt wird, dass es nicht «echt» ist – obwohl es auf eine Realität hinweist, die so ist –, dann riskiere ich, dass diejenigen, die gespendet haben oder dies beabsichtigen, sich getäuscht fühlen. Dann ist man auch nicht mehr bereit, jemandem zu vertrauen – auch in anderen Dingen nicht, wie zum Beispiel, ob das Geld oder die Förderung wirklich ankommt. Vertrauen als Wert ist ein hohes Gut im Fundraising-Geschäft.

Kind mit blauem Auge und Kapuze.
Legende: Diese Kampagne einer Hilfsorganisation soll auf Gewalt in Kinderehen sensibilisieren. Der Spruch «etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes, etwas Blaues» ist ein Hochzeitsbrauch, bei dem die Braut zu ihrer Hochzeit Gegenstände tragen soll, die symbolisch für das Leben vor der Ehe, den neuen Lebensabschnitt, Glück und Treue stehen. Screenshot Video Plan International 2023 / KI-generiert

Die Täuschung ist also ein Problem. Sie kann zu Vertrauensverlust führen, obwohl es tatsächlich Kinder gibt, die schlimme Schicksale erleiden und dies KI-generiert wird.

Würde ich annehmen. Wir wissen aus Studien auch, dass Nutzende nicht generell keine KI-generierten Bilder sehen wollen. Sie möchten nur informiert werden. Also wie ich kommuniziere, die Transparenz, ist wichtig – gerade wenn es um extreme Darstellungen geht wie hungernde Kinder oder Bedürftige. Dieser Aspekt der Echtheit ist philosophisch gesehen auch immer ein Problem: Inwieweit sind Bilder echt?

Fotografie hat schon immer damit gehadert, wie authentisch sie ist.

Wir haben uns darauf verständigt, zumindest im Informationsökosystem, dass wir eine rote Linie aufrechterhalten zum Falschen – im Unterschied zum Echten. Fotografie hat schon immer damit gehadert, wie authentisch sie ist. Durch die Perspektive, den Ausschnitt, die Beleuchtung kann ich in gewissem Sinn immer inszenieren. Gleichwohl gibt es Abgrenzungen. Wer in der Fotografie tätig ist und das verantwortungsvoll tut, wird sich bemühen, möglichst nah an dem, was er gesehen hat, zu bleiben.

Eine Hilfsorganisation, die solche Bilder eingesetzt hat, sagt: Wenn wir auf KI setzen, können wir die Privatsphäre und die Würde von echten Opfern wahren.

Dieses Argument ist ernst zu nehmen. Keine Option ist die Optimale. Es ist eine Frage der Balance – und ein Dilemma: Wenn sie KI-generierte Bilder benutzen, riskieren sie die Täuschung und den Vertrauensverlust. Andererseits kann man durch die entsprechende Inszenierung versuchen, die Würde dieses Menschen in der Darstellung zu wahren. Das Bild verliert dann an reisserischem Effekt. Müssen sie in einer traumatisierender Form für ihr Anliegen werben? Oder können sie es in einer gemässigteren Form tun und gleichzeitig die Würde des Opfers schützen? Da sind wir wieder beim Masshalten. 

Das Interview führte Nicolas Malzacher.

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SRF 4 News, 20.10.2025, 16:48 Uhr ; 

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