Am Mittwoch gaben die deutschen Behörden bekannt, dass fünf Mitglieder der mutmasslichen Terrorgruppe «Letzte Verteidigungswelle» festgenommen wurden. Die Gruppe soll schon mehrfach versucht haben, Anschläge auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende in die Tat umzusetzen.
Ihr Ziel ist es, durch Gewalttaten (...) einen Zusammenbruch des demokratischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.
Als «besonders erschütternd» bezeichnete es Justizministerin Stefanie Hubig, dass es sich bei den Festgenommenen um Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren handle. «Das ist ein Alarmzeichen und zeigt, dass rechtsextremistischer Terrorismus kein Alter kennt.»
«Es handelt sich um eine kleine Gruppe, die sich quer durch die Republik spannt», sagt Claudia Kade, Leiterin Politik bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt». «Ihre Mitglieder sind extrem jung – und offenbar auch extrem gewaltbereit.»
Gefilmter «Tatbeweis» als Aufnahmeritual
Wie die ARD berichtet, soll sich die «Letzte Verteidigungswelle» vor allem über Chatgruppen organisieren. In einzelnen Bundesländern gibt es Unterchats – sogenannte «Gaue», offenkundig in Anlehnung an die Organisationsstruktur der Nationalsozialisten. Wer aufgenommen werden will, muss eine Art Tatbeweis mitliefern: nämlich ein Video davon, wie etwa Migranten verprügelt, Brände gelegt oder Hakenkreuze an Häuserfassaden geschmiert werden.
Die Gruppe soll insbesondere im Osten Deutschlands aktiv sein, aber auch Mitglieder aus dem Westen Deutschlands haben. Laut den Ermittlern sollen deutschlandweit rund 200 Personen den Chats der Gruppe angehören. «Rechtsextremistische Jugendgruppen schiessen seit einer Weile wie Pilze aus dem Boden», schreibt die ARD. Auch Kade spricht von einem «riesigen Problem, das immer stärker erkannt und auch bekämpft wird.»
Digitale Anwerbungsversuche werden erfolgreich in der analogen Welt fortgesetzt.
Der deutsche Verfassungsschutz teilte nach der Razzia mit, dass sich rechtsextreme Gruppierungen immer stärker auf soziale Medien konzentrieren würden. Dies mit dem Ziel, junge, gewaltbereite Mitstreiter anzuwerben. «Solche digitalen Anwerbungsversuche werden erfolgreich in der analogen Welt fortgesetzt», sagt Kade. «Das reicht von Einladungen zu rechtsextremen Konzerten bis zum Verteilen von Flyern auf Schulhöfen.»
Politisch motivierte Gewalt auf Rekordhoch
Erst am Dienstag hatte Innenminister Alexander Dobrindt einen rasanten Anstieg politisch motivierter Straftaten beklagt. «Die grösste Gefährdung für die Demokratie geht dabei vom Rechtsextremismus aus», sagte er bei der Vorstellung eines entsprechenden Berichts. Zudem verwies Dobrindt auf das Problem des «importierten Antisemitismus» und die anhaltende Gefahr durch islamistische Anschläge.
Auf Instagram und Tiktok verbreiten rechtsextreme Influencer massenweise «jugendgerecht» aufbereitete Videos. Von martialischen Fackelmärschen über Bromance am Lagerfeuer bis zum Workout mit Nazi-Insignien ist alles dabei. Schnell geschnitten, aufwändig inszeniert, und gerne auch mit Deutsch-Rap statt Rechtsrock unterlegt.
Kade sieht in der Entwicklung auch einen Ausdruck davon, wie sich das politische Klima in Deutschland zunehmend polarisiert – gerade auch zwischen Ost und West. Die rechtsextreme Szene würde die Erzählung einer Bundesrepublik verbreiten, die angeblich in einer existenziellen Krise sei. Gewalt, ja sogar Terrorakte gelten für sie als Mittel der Wahl, um die staatlichen Strukturen zu zerstören – um sie dann im eigenen Sinn wieder aufzubauen.